31. Januar 2008

uni bern: sie nennen es pilotbetrieb

kürzlich bin ich über ein zweinulliges schweizer internetprojekt gestolpert. eine plattform, auf der firmen einerseits bei usern andererseits nach innovationen und guten ideen suchen. eine schuderhafte erfahrung.

die weltbekannte swisscom sucht beispielsweise nach neuen services, die bekleidungsfirma mammut sucht nach einer substitutionslösung zum reissverschluss, die post sucht nach pfiffigen ideen in sachen klimaschutz, wander will seine caotina-sortiment ausbauen, die mobi sucht nach neuen services für senioren und die ruag möchte militärische bedrohungen der zukunft erkennen.

tönt skurril, ist aber so online. bei der ruag, einem schweizer rüstungsbetrieb, lautet die ausschreibung auf dieser mitmachplattform so:

Analyse von Bedrohungen für gepanzerte Fahrzeuge

Die RUAG Land Systems möchte im Rahmen einer Marktanalyse militärische Bedrohungen der Zukunft erkennen, um entsprechend früh bei der Herstellung von Schutz- und Abwehrsysteme für gepanzerte Fahrzeuge zu reagieren.


mehr ist fürs erste nicht drin, ende des briefings. aber die firmen stellen geld in aussicht. die ruag z.b. zahlt für eine knackige panzeridee 2'000 franken. mammut blättert für die reissverschlussalternative 4'000 hin. ringier zahlt dir 3'000 bucks, wenn du ihnen sagst, wie man das beste gesundheitsportal auf die reihe kriegt (simpel, eigentlich). 3'000 zahlt blacksocks für ein konzept zur sortimentserweiterung (ich schlage pulswärmer vor, kicher...).

die user heissen innovatoren und es gibt schon über tausend. im userprofil wollen sie nur name und vorname und jahrgang wissen. dann kann man sich für eines der projekte anmelden. man muss aber noch beantworten, wieviel erfahrung man als nutzer des und wieviel technisches fachwissen man im entsprechenden produktbereich habe. im fall der RUAG und den gepanzerten fahrzeugen dürften die wenigsten user äh.. innovatoren viel zu melden haben. ich persönlich wäre für eine karbon-stossstange. darauf schwörte schon jo siffert.

sie wollen es aber genauer wissen, das innovations-briefing der ruag lautet (ausschnitt):


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Elemente des Lösungsvorschlags
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Bedrohung

Kurze Beschreibung der Bedrohung (max. 10 Zeilen)

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Analyse der Bedrohung
  • Formulieren Sie eine aus Ihrer Sicht wahrscheinliche Bedrohung auf gepanzerte Fahrzeuge in der Zukunft. Setzen Sie diese Bedrohung in einen globalen, technischen und historischen Kontext.
  • Beschreiben Sie die eingesetzte Technologie und deren Auswirkung auf das Ziel (gepanzertes Fahrzeug) und umliegende Objekte.
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Beschreibung neuer Schutz- oder Abwehrsysteme
  • Nehmen Sie dabei Stellung zur Technologie, deren Wirkungsweise, zum Gewicht, zur Beschaffung des Systems (Skizze) und zum verwendeten Material.
  • Beschreiben Sie den Effekt des eingesetzten Schutz- oder Abwehrsystems auf die Bedrohung und auf umliegende Objekte.


wie gesagt: kein witz. was sich die ruag von dieser kruden aufgabenstellung in einem unausgegorenen mitmachkanal genau verspricht, bleibt ein bizarres rätsel. die hier formulierten anforderungen sind – mit verlaub – bescheuert und sie widersprechen jedwelchem innovationsgeist.

und überhaupt, wer eine alternative zum reissverschluss erfindet, wird kaum so blöd sein, und diese millionenschwere idee für ein paar läppische tausender in diese plattform stellen. und wer für ringier das führende schweizer gesundheitsportal konzeptet, wird das kaum ernsthaft in einem kanal tun, wo man sich die minimal-gage noch mit anderen teilen muss.

das projekt müffelt irgendwie nach lizenziatsarbeit, ist aber eine veritable gmbh. in der rubrik "über uns" wird sogar behauptet, open innovation sei eine kleine revolution im innovationsmanagement. wie klein genau, wird nicht gesagt. auch keine namen der eigner werden genannt, alles ziemlich undurchsichtig, irgendiwe windig.

das einzig vertrauenserweckende auf der openinnovation-website ist der supporter in gestalt des institut für marketing und unternehmensführung imu-innovation an der uni bern. boahh. also doch eine liz-arbeit? wie auch immer – es ist irritierend, dass eine veritable uni so ein halbfertiges portal zum launch durchwinkt und womöglich auch noch geld reinbuttert. wo noch nicht einmal der name der plattform definitiv ist.

auch der name dieser mitmachplattform wird nämlich bei den usern äh.. innovatoren noch erforscht. ein super geiler innovationsgag, finde ich. da kenn ich mich zufälligerweise aus – naming nennt sich das in neudeutsch. ist ein krampf und will handwerklich durchdacht sein. es ist jedenfalls das erste, was man haben muss, einen namen, inkl. baseline oder claim oder weitere arien.

sie gehen ohne namen an den start und
sie sind nicht mal in der lage, das semantische provisorium einheitlich zu handhaben: die site ist oben links mit "Oibeta" angeschrieben, die url lautet pilot.openinnovation.ch und reden tun sie von pilotbetrieb. alles roger, kollegen.

warum nur hab ich bei solchen uni-gestützten-marketing-klitschen oft das gefühl, dass das alles völlig sinnfrei und realitätsfremd ist? also ich meine, wenn toshiba hier allen ernstes fragt:

Der weltbekannte Computer-Hersteller Toshiba sucht nach Ideen, wie er mehr Käufer von Notebooks zum Abschluss von Garantieverlängerungen (drei Jahre anstelle des Standards von einem Jahr) überzeugen kann.

wenn also toshiba in einer demografisch völlig desorientierten mitmachplattform ohne jeglichen usability-charme nach neuen geschäftsideen sucht und für die antwort(en) insgesamt 2'000 stutz zahlt, notabene für eine idee, die u.u. mehrere millionen umsatz generieren kann, dann besteht da ein bizarres missverhältnis zwischen input und output, finde ich. die machen sich doch irgendwie selber lächerlich. weil es so anmutet wie "sag mir die lottozahlen von morgen und ich geb dir einen huni". ein zutiefst unfairer deal.

wie man sowas wissenschaftlich begleiten und abstützen kann, ist mir schleierhaft. und was die sonst noch so machen an diesem institut für marketing – keine ahnung. aber man ahnt böses...

> oppeninnovation.ch
> uni bern, institut für marketing und unternehmensführung

zum vergleich:
> brainr.de (privates startup, für den bäcker um die ecke okay)
> brainstore.ch (
entwickelt Ideen mit einem industriellen Prozess, seit jahren erfolgreich)
.

3 Kommentare:

  1. Offenbar lässt sich immer noch eine recht grosse Anzahl Gutgläubiger finden, die jeden Zwo Nuller mitmachen. Selbst wenn er auf diem Cyber-Tor zum Lokus geschrieben wird.

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  2. bin da auch dabei. quasi zum reinschnuppern. da ich über ein jahr bei brainstore gearbeitet habe, ist mein kommentar zu openinnovation: hübsches studentenprojekt welches völlig nicht durchdacht ist und daher scheitern wird. sonst hätte ich dieidee.ch längst gelauncht, wenn das so einfach wäre (gehört nämlich mir).

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  3. @ frühjahr: genau – und überhaupt: wenn man gute antworten haben will, geht nichts über fachleute. das mitmachweb ist weitgehend zur unterhaltung da und krativität kann man nicht im web automatisieren. aber das schlimme ist, dass sich eine uni für solchen humbug hergibt. unglaublich.

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