1. Dezember 2006

studi-vz? – hm ...


bild: The New Yorker, Vol. 69 (LXIX) no. 20,
page 61, July 5, 1993, by Peter Steiner

in deutschland tobt ein veritabler knatsch rund um das studentische social network studi-vz (über 1 million mitglieder). es gibt dort nicht nur ein problem, sondern gleich mehrere: datensicherheit, sexismus, nazismus – jedes thema in mehrfacher ausführung. interessant.

die letzten wochen waren ein (weiteres) grosses solo für don alphonso. der streitbare blogger hat in sachen studi-vz gnadenlos enthüllt und unablässig die brühe aufgekocht: immer wieder neue, offensichtlich dilettantische sicherheitslöcher, sehr sonderbare frauen- und filmchen-hässlichkeiten (was für prolls das nur sind!?), dümmliche, aber nur schwer verzeihliche nazi-reminiszenzen und sonst noch ein paar wirklich unschöne dinge sind die zutaten in dieser heissgekochten web 2.0-supppe

mit der realität der geschäftswelt 1.0 in den knochen sitzt man auch in den schweizer voralpen vor dem klapprechner und staunt, wie es in diesem web 2.0 im grossen kanton so abgeht. herrlich. hier in der schweiz haben wir ja sowas noch nicht. von tausend mitgliedern auf eine million in einem jahr, das ist der hammer. soviel wachstum würde auch die sattelfesteste 1.0-firma ins wanken bringen. im web 2.0 kann man ruhig noch ein paar probleme obendraufpacken und trotzdem noch als eines der erfolgversprechendsten startups durchgehen. cool? es ist einfach so. der hund leckt sich am schwanz, weil er kann. leute stellen – sie selbst komprimittierende – filmchen ins netz weil sie können. leute bauen im netz clevere startups auf, weil sie können. ich blogge, weil ich kann.

soweit alles in butter. viele startupper im web 2.0 startuppen, weil sie gute techniker sind und ein portal mit einem irren wachstum wie bei studivz irgendwie am laufen halten können. die eigentliche idee dahinter ist dabei nebensache, weil studivz eh die adaption von grösseren vorbildern aus den usa ist. auch in der geschäftswelt 1.0 hat nicht jeder sein geschäftsmodell selber erfunden. eine schreinerei ist eine schreinerei, ein guter schreiner hat eine gute schreinerei, nur wenige schreiner haben eine spitzenschreinerei.

gastronomie 2.0

irgendwie fast zweinullig ging es in den letzten zwanzig jahren in der gastronomie ab. da wurden durch ranking-bücher wie z.b. der gault millau aus excellenten köchen schlechte restaurateure gehypt. wer "nur" gut kochen kann, ist noch lange kein guter wirt. so ist es auch im web 2.0. die jungs von studivz haben bis jetzt nicht viel mehr geleistet, als die maschine einigermassen am laufen zu halten. wie wir heute wissen, mit bedenklichen sicherheitslücken und zweifelhaftem kontent. daneben haben sie (fast) alles falsch gemacht. aber das macht nichts. nicht die jungs sind das potential, sondern die die 1 million mitglieder. das sind andere dimensionen als die konkursmasse eines gehypten jungkochs.

eine gute handvoll investoren (darunter eine bekannte deutsche verlagsgruppe), die sog. riskokapitalgeber, haben den laden, der ja kaum einnahmen generiert, bisher am laufen gehalten. deren strategie ist klar: sie wollen das potential von studi-vz umsetzen und früher oder später an die börse damit. das ist ihr gutes recht, dazu sind sie ja da, für die risiken und für die gewinne. ganz normaler markt 1.0.

die gründungs-legende von youtube: drei kumpels sitzen in einer bar, trinken bier und sinnieren über die möglichkeit, ihre ferienfotos und videos im netz auszutauschen. das war vor drei jahren, oder vier? egal, sie setzen ein einfaches tool ins netz und teilen (share) fortan ihre pics. es kommen weitere freunde dazu, dann die freunde dieser freunde, dann steigen mit sequoia capital die gleichen risikokapitalgeber wie bei apple und google ein. das kumpelnetzwerk wird innert zweier jahre zum weltweit grössten videoportal und dann für sagenhafte 1.6 millarden dollar an google verkauft. was die drei gründerkumpels zu dollar-halb-milliardären macht. zauberhaft.

lebenslang bloggen

werden die gründer von studi-vz auch so reich werden? so reich wohl nicht. aber die kapitalgeber werden den laden aufräumen, personell und technisch und inhaltlich aufrüsten, die gründercrew an die hand nehmen und sie nach dem börsengang auszahlen. es wird genug sein, um den rest des lebens bloggen zu können, ohne geld verdienen zu müssen. aber die jungspunde werden den reibach vermutlich in neue projekte verzocken und es noch ein zweites mal versuchen. das wird schwierig sein. wie bei einem musiker, dem eher ausnahmsweise und dank glücklicher fügung aller music-business-relevanten voraussetzungen ein hit gelungen ist und dann nie mehr einer.

die jungs von studi-vz machen in den ganzen wirren eine unbezahlbare schule durch. ob das was nützen wird, ist fraglich. bisher glänzten sie lediglich mit dem aufrechterhalten des betriebes einer plattform mit sehr viel traffic, alles andere haben sie mangels erfahrung und talent ziemlich prollig und falsch gemacht. der zufall hat sie in dieses projekt gespült, als gründer waren sie mit der richtigen kopie zum richtigen zeitpunkt im netz (und an der richtigen barkante). that's it. keine eigene vision, nur eine kopie. das ist nicht verwerflich, aber eine schmale geschäftsgrundlage für eine zweite zukunft.

ob die kapitalgeber von studi-vz einen tauglichen relaunch wirklich hinkriegen, ist an den barkanten der deutschsprachigen web 2.0-debatte die frage schlechthin. sicher ist nur: der fall studi-vz ist eine web 2.0-sozialstudie erster güte.

stay tuned in the comments, please.

noch nie was gehört davon? dann gehts vorerst hier weiter:

affäre studi-vz: the cast and the tubes

> studi-vz – in den letzten tagen ist der server öfters mal down, aber um diesen laden gehts.
> don alphonso – streibarer altblogger, gnadenloser rechercheur, verbissener studi-vz-demontierer. seine postings an der blogbar generieren hunderte von kommentaren. man beachte auch sein eigens blog.
> robert basic – renommierter bloggermaniac und blogberater, postet immer wieder sachliche und scharfsinnige analysen zum fall.
> peter turi – ebenfalls streibarer blogger, routinierter (web-)medienhase, war seinerzeit mitstreiter beim kress-report, betreibt eine tolles medienblog (und führt einen relaunch im schilde), intimfeind von don alphonso.
> spon – wenn sogar spiegel online berichtet, dann ist die kacke wirklich am dampfen.
> google news – inzwischen berichten immer mehr auch klassische medien über studi-vz.
> technorati – bietet einen überblick über die ganze schlacht in der blogosphäre, viel lesestoff für lange dezemberabende.

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empfehlung des hauses: the ashtray collection

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update 16.20 uhr: der traffic über don alphonso schlägt hier ganz toll an. darum, liebe leserinnen und leser aus deutschland: hier gehts zum schweizer top-satire-blogger an der passstrasse des sankt gotthards: zgraggen-schagg, bergbauer und schnügel (ähnl. schnuckelchen).

3 Kommentare:

  1. On the Internet, nobody knows if you're a dirty dog, either.

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  2. Ich bin auch nicht mit dem Verhalten der Gründer einverstanden. Aber
    das Team von studiVZ macht einen unglaublichen Job im Moment. Das
    ganze Entwickler Team hat die letzten 2 Tage praktisch
    durchgearbeitet. Nicht das Du denkst ich will hier auf billige
    Sympathie machen - aber ich denke, die Leute dort sollten auch etwas
    Kredit verdienen oder zumindest eine Chance kriegen! Übrigens - steht hinter studiVZ nicht nur die Gründer oder irgendwelche Investoren sondern ein Team von mehr als 50 Leuten! Alles sehr engagierte Mitarbeiter die an studiVZ glauben und es voran bringen wollen. Es ist also ein veritables Unternehmen, dass da aufgebaut wurde. Das die Explosion der Benutzerzahlen und viele technische Probleme entstanden ist absolut so. Trotzdem - soll doch jemand dies nach machen? In der Schweiz gäbe es etliche solche Möglichkeiten - Und niemand packt sie an!
    Deshalb - die ganze Geschichte einfach so zu reduzieren, auf das was da alles, aus welchen Zielen und Interessen auch immer, gebloggt wurde, ist gar einfach.

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  3. @ peters: vorerst schönen dank, dass du als investor von studi-vz hier stellung nimmst. +++ das glaub ich dir sofort, dass die crew dort momentan rund um die uhr am mechen ist und dass die einen tollen job machen. müssen sie ja, nach all den versäumnissen. aber das ist nicht der punkt, einen tollen job machen andere anderswo auch. eifrige troubleshooters und engagierte mitarbeiter machen noch lange kein veritables unternehmen aus, das ist dir in der jetztigen situation ja auch klar, denke ich. bei openbc haben die den zuwachs locker weggesteckt und die gehen demnächst gut aufgestellt an die börse, das ist schon ein wenig ein unterschied, finde ich. +++ du kannst den kritikern jetzt nicht vorwerfen, dass sie kritisieren, das ist zu einfach, dazu hat sich studi-vz zu viel geleistet. ich finde es schade, dass auch die investoren nicht einfach sagen können: yes, dumm gelaufen, sorry dafür, wir wollen das ausbügeln und bald sind wir neu aufgestellt. warum tut ihr das nicht? diese abwehrhaltung und dieses auf den kritikern rumnörgeln ist doch grottenschlechte pr, das ist doch nicht konstruktiv. oder?

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