17. August 2010

verleger fordern die geschützte werkstatt


nach der imhof-studie haben verleger und journalisten ja nicht mehr viel zu lachen. hatten sie zwar schon vorher nicht, aber jetzt ist das der düstere befund wissenschaftlich untermauert, was zumindest die journalisten etwas aus der reserve lockt. gut so.

heute hat norbert neininger in der nzz einen text publiziert, in dem er ein neues leistungsschutzrecht für die schweizer verlage verlangt. norbert neininger ist chefredaktor und verleger der schaffhauser nachrichten und mitglied des präsidiums des verbands der schweizer presse, dortselbst zuständig für das departement publizistik.

“verlage haben anrecht auf besseren schutz” lautet der titel seines artikels. das verlangte die musikindustrie vor wenigen jahren auch schon (vergeblich).

sein artikel ist in verschiedenen aussagen bemerkenswert. so ist er z.b. der meines wissens erste verleger, der versäumnisse der verleger zugibt:
Das Internet – also die Möglichkeit, weltweit Daten verzögerungsfrei und gratis auszutauschen – wurde, und das muss man selbstkritisch zugeben, auch von den Verlegern jahrelang unter- oder falsch eingeschätzt. (...)
dieses eingeständnis ist dem schaffhauser vollblutverleger hoch anzurechnen. so klar hat das keiner seiner kollegen je zugegeben. das gibt einen punkt nach schaffhausen. den zweiten punkt kriegt herr neininger dafür, dass er sich schon vor einiger zeit ein ipad besorgt hat, um auszuchecken, was da sache ist. er ist begeistert (und sieht möglichkeiten für seine branche). damit – mit dem selber ausprobieren neuer technologie – dürfte er bei seinen kollegen in einer minderheit sein. gerade kürzlich hat sich ausgerechnet der medienpionier roger schawinski darüber ausgelassen, warum bei ihm kein ipad ins haus kommt. nicht mal zum ausprobieren.

leider hat der gute wille bei herr neiniger nicht viel genützt. in seinem paphlet von heute in der nzz sagt er z.b.:
Die Internetgemeinde aber wird mit der Realität konfrontiert: Nachdem klar geworden ist, dass es weder Google noch Wikipedia um die Vermehrung des Wissens, sondern um Marktanteile, Umsatz und Ertrag geht und auch auf den Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook (über Werbung) Milliarden eingenommen werden, verteidigen nun auch Verleger ihre und damit die Interessen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
google und wikipedia in diesem kontext in den gleichen topf zu werfen ist schlicht daneben. wikipedia ist erstens ein nonprofitprojekt und zweitens eines der phänomenalsten internetprojekte überhaupt. entweder hat herr chefpublizist neininger es nicht begriffen oder er polemisiert wider besseres journalistisches wissen und zugunsten verlegerischer pfründe einfach irgendwas dahin.

weiter verlangt er:
Die Einnahmen sollen auch im Netz jenen zugutekommen, welche die Leistung erbringen, und nicht den Aggregatoren oder Distributoren.
damit meint er google & co. als ob google sein geld allein mit dem aggregieren von medieninhalten verdienen würde. wie auch immer: neininger predigt wasser und trinkt wein, er betätigt sich nämlich selber jeden sonntag als hobbyaggregator. in seinem blog postet er jeden sonntag rund 30 fotos von titelseiten und artikeln aus der sonntagspresse. zumeist ohne eigenen kommentar. obwohl die fotos nicht wirklich dazu geeignet sind, sowas wie “zeitung zu lesen”, bleibt es eine art von aggregation, der er doch eigentlich den garaus machen möchte. hallo?

seine forderung lautet:
Da das derzeitige Urheberrecht die neusten Entwicklungen nicht umfasst, muss ein sogenanntes Leistungsschutzrecht eingeführt werden, das sicherstellt, dass die Medienunternehmen ein exklusives Recht an ihren Inhalten auch im Internet haben und weder Artikel noch Auszüge daraus ungefragt (und entschädigungslos) verwendet werden dürfen.
die diskussion um ein neues leistungsschutzrecht wurde ja in deutschland schon heftig geführt. das leistungsschutzrecht ist im grunde nichts anderes als die überführung des einst extrem lukrativen verlegergeschäfts in eine geschützte werkstatt. abgesehen davon ist die branche in dieser frage mehr als doppelzüngig: es wäre mit einfachsten und wohlbekannten mitteln möglich, die eigenen artikel von jedwelcher aggregation durch suchmaschinen fernzuhalten. tut aber keiner der jammernden verlage. warum? weil sie einen guten teil ihres traffics von suchmaschinen erhalten.

und überhaupt: wozu braucht es ein leistungsschutzrecht, wenn die verleger ohnehin ihren content hinter paxwalls einbunkern wollen?

wie auch immer: der ruf nach neuen gesetzen hat im disruptiven wandel noch nie etwas gebracht – und wird es auch in diesem fall nicht.

dass das urheberrecht angesichts der digitalen revolution quasi neu geschrieben werden muss, liegt auf der hand. mit einem leistungsschutzrecht für die presse ist aber weder den verlegern noch den usern gedient. die latte für ein internetfähiges urheberrecht liegt viel, sehr viel höher.
.

1 Kommentar:

  1. Es wäre wohl auch noch interessant zu erfahren, was denn die Herren unter jener «Leistung» verstehen, die sie schützen wollen.

    Wenn ich nur schon an die unterschiedlichen Print-Titel denke, variiert die «Leistung» nach meiner Auffassung enorm...

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