16. Januar 2009

die piratenposse der schweizer medien


in den letzten tagen werde ich als ehemaliger frachtschiffreisender dauernd darauf angesprochen, was ich von den geplanten antipirateneinsätzen der schweizer armee am horn von afrika halte. nichts. ausser dass ich mich frage, wie eine solche debatte allen ernstes überhaupt geführt werden kann. als bugsierer kommt man sich da vor wie in einer muppetshow. die medien haben komplett versagt.

das erste fragezeichen bei einem einsatz von schweizer soldaten auf hoher see heisst logischerweise seekrankheit. wer auf see arbeiten will, muss also mal rausfinden, ob er seefest ist. seefest heisst nicht, dass man nie seekrank wird, sondern meistens nicht. ich glaube nicht, dass die schweizer spezialeinheit darauf gecheckt ist, es also mindestens ein paar wochen in mehreren stürmen ausprobiert hat.

wie sollen schweizer soldaten mit der crew reden? englisch? können die das? wenn ja, können die auch dieses seefahrerenglisch mit all den speziellen fachbegriffen? wissen unsere soldaten, wo backbord ist? und können die sich das auch merken, wenn sie einen somalischen piraten vom bug in richtung heck verfolgen? auch nachts? auch IM rumpf des schiffes?

das gute am kapitänsjob ist, dass man auf dem schiff wirklich das letzte wort hat und zwar wie an keinem anderen job auf dieser welt. das liegt daran, dass dieser job auf hoher see stattfindet (oder in der luft), fernab von jeglicher zivilisation, völlig auf sich allein gestellt. man kann dort nicht wie in führungsjobs an land einfach mal den mackinseyberater oder den servicetechniker antanzen lassen. darum wird kein kapitän mit einer crew auslaufen, die nicht entsprechend ausgebildet ist und die entsprechenden papiere mitbringt. er würde sich strafbar machen. er kann nicht einfach einen befreundeten automechaniker zum chief und den verschwägerten segler zum ersten steuermann machen. ohne lizenz läuft da gar nichts.

ob kapitäne überhaupt soldaten auf ihren schiffen akzeptieren würden, ist sehr fraglich. gewiss wird es einige haben, die da kein problem sehen. die mehrheit dürfte einer solchen strategie jedoch sehr skeptisch begegnen, weil sie damit ihr schiff zur kampfzone machen und damit die verantwortung nicht mehr übernehmen könnten.

ohne es nachgeprüft zu haben, würde ich mal behaupten, dass es gewisse berufsstandards auf schiffen ebenso für militärische einsätze gibt. immerhin sind die aktionen der verschiedenen seestreitkräfte vor somalia quasi ein uno einsatz. da haben auch reitertruppen aus usbekistan nichts zu suchen.

jedenfalls ist kaum vorstellbar, dass eine internationale seestreitkraft ein paar schweizer soldaten einsetzen wird, die weder eine ausbildung noch erfahrung auf hoher see verfügen. einen somalischen kämpfer könnte man notfalls – wenn man ihn warm einpackt – mit einer ak47 vor den gotthardtunnel stellen, um auf irgendwas zu schiessen. auf die idee aber, einen solchen mann auf einen einsatz im hochgebirge (mit schneeschuhen und biwak) zu schicken, käme ja auch niemand.

kurz und gut: einen einsatz von schweizer soldaten wird es schon allein aus den obgenannten gründen nie geben.

es ist nur schwer nachvollziehbar, dass die armee allen ernstes behauptet, für einen solchen einsatz parat zu sein. das zeigt doch eigentlich nichts weiter, als dieser laden völlig abgehoben ist und dringend weggespart gehört. aber das wissen wir ja schon lange.

mindestens so interessant ist aber, wie die schweizer medien das thema behandeln resp. nicht. die obigen überlegungen sind keine geheimnisse, sondern nur ganz wenig vor die eigene nase hinausgedacht. offensichtlich sind die journalisten in diesem fall komplett unfähig bezw. unwillig, hier die nötigen hintergrundinfos zu beschaffen und einen solchen einsatz zum vornherein als unsinn einzustufen.

stattdessen kolportieren die medien, wie z.b. hier newsnetz, den pr-stoff der armee und befassen sich in erster linie mit der superharten kampfkraft der geheimnisvollen minitruppe. da wird mit liegestützen und rumpfbeugen aufgetrumpft, da werden kevlarhelme und splitterwesten gepriesen. kein wort, keine überlegung zur rein praktischen machbarkeit eines solchen unterfangens.

leider ist das nur ein beispiel, wie unprofessionell ehemals seriöse medien heute informieren resp. desinformieren und am kern der geschichte herumboulevardisieren.
.

5 Kommentare:

  1. saubere Berichterstattung. Ausnahmsweise würde ich auch dem Link zum Nichtsnutznetz folgen, denn die Kommentare dort sind z.T. recht unterhaltsam, so man auf schräge Unterhaltung steht.

    AntwortenLöschen
  2. oh, genau, die kommentare hatte ich ganz vergessen zu erwähnen. sie sind nicht minder interessant. keiner stellt die entscheidenden fragen, was darauf hinweist, dass die leserschaft sich noch so gerne um den finger wickeln lässt. auch das ein jammer sondergleichen.

    AntwortenLöschen
  3. Muhaha, ganz besonders gefällt mir die obligatorische Grundvoraussetzung, dass die Job-Interessenten Matura benötigen - da werden die Seeräuber sicher als erstes nach fragen. Auch der 25-km-Eilmarsch im grünen Tarnanzug ist nicht schlecht auf einem Schiff.

    AntwortenLöschen
  4. Passend dazu ein aktueller Lesetipp, der mit vielen populären Missverständnissen rund um die somalischen Piraten aufräumt:

    http://www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=4626

    AntwortenLöschen
  5. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

    AntwortenLöschen

Bitte keine unnetten Kommentare. Die werden hier gelöscht. Danke.