24. August 2007

hans schenker: dilettierende wutausbrüche für 29 bucks

textlaufband mit drei ausrufezeichen auf schenkers website

ich bin allergisch auf ausrufezeichen!
vor allem dann, wenn sie massiert vorkommen. massiert heisst: mehr als eines im gleichen abschnitt, mehr als drei auf einer buchseite. bei hans schenkers "der publikumsliebling" hat es auf jeder seite mindestens fünf davon. ein unfehlbares zeichen für miese qualität.

gleich am anfang des buches stellt schenker klar, das er im fall die beste aller deutschsprachigen schauspielschulen
(max reinhardt seminar in wien) absolviert und sich jahrelang durch die klassischen bühnenstücke an deutschen provinztheatern gespielt habe und darum als richtiger künstler gelte. okee-okee, hans, ist ja gut. aber wer ein ganzes buch lang auf jeder seite mindestens fünf, manchmal auch zehn ausrufezeichen setzt, hat beim auswendiglernen der klassiker nichts gelernt und vom schreiben keine ahnung. schenker mag ein passabler schauspieler sein, aber so viele ausrufezeichen ein ganzes buch lang auf jeder seite ist doch ein wenig schrottig. das bringt ja nicht mal das prolligste aller boulevardblätter hin.

was haben wir uns über schenkers kollegenschelte in der schweizer unterhaltungsindustrie gefreut. endlich packt einer aus. das erste kapitel ist denn auch einigermassen amüsant. dort beschreibt schenker, wie er sich in der maag-halle an der verleihung des "prix walo" mit edelzwicker aus malans volllaufen lässt und dabei den anwesenden promis und möchtegernpromis an den karren fährt. heavy, wie der auftischt.

aber dann, nach hinten weg, wird das buch zur sinnlosen jammertirade. schenker zelebriert ein lautstarkes und hämisches selbstmitleid, unreflektiert, eigenbrötlerisch, divenhaft. konkretes zur unterhaltungsmafia vernimmt man kaum, dafür seitenlange monologe rund um das wütende ego des autors. nur alle zwei seiten erfahren wir pikante details aus den niederungen des showbusiness, z.b. dass der produzent pc fueter bei einer seiner reden an die versammelte "lüthi & blanc"-crew verlangte, dass dann im fall die schoggistängeli im pausenraum zu bezahlen seien. dann kommen wieder ellenlange ausführungen über die kaputte befindlichkeit eines hehren künstlers, der sich mit sieben jahren soap immerhin häuser oder wohnungen in berlin, nizza, marocco und zürich erschleimt hat.

nicht nur der mangel an wirklich raren insiderstorys sowie die sonderbaren und oft wirren schenkerschen wutausbrüche machen das buch so schrottig, sondern das inhaltliche niveau ganz allgemein. ein beispiel – über den wetterfrosch thomas bucheli:

Wie er immer so grinst, wenn er "Hoch" sagen kann, dieser knuffige Bucheli. Wie er immer so zuversichtlich schaut bei "Hoch", als hätte er eben einen "Hoch"-gekriegt und es gäbe mordmässig etwas zu feiern, weil er uns das "Hoch" bringt, das sich vom nahen Atlantik bis zur Adria erstreckt. Und wie verschleiert er schaut bei den "Schleierwolken", und wie schleierhaft ihm das ganze vorkommt, so islamistisch verschleiert. Wie er dem fundamentalistischen Schleier überhaupt nicht über den Weg traut und so tut als wäre die Al Kaida für den Schleier verantwortlich, der sein "Hoch" trübt. Umso mehr betont er dann das "trotz", wenn er sagt, dass "trotz" Schleierwolken der Westen bis in die Niederungen sonnig bestrahlt wird und dass ihm folglich die Schleier aus dem Nahen Osten nichts anhaben können.

so weit so schlecht, das buch ist voll von solch kruden wutausbrüchen. nicht verwunderlich bei so viel dilletierender sch
reibe ist die tatsache, dass schenker trotz aussicht auf gute verkäufe (das buch ist momentan in den top ten) keinen "richtigen" verleger gefunden hat. er musste sein elaborat in einem völlig unbekannten verlag namens "sprintservices" herausgeben, der nicht mal über einen webauftritt verfügt. apropos website: auf seiner eigenen, die aussieht als wäre sie schwer in den 90ern gemacht worden, steht immer noch der satz:

Seit 1999 spielt er fürs Schweizer Fernsehen den "Martin Lüthi" in "Lüthi & Blanc".

spielt, nicht spielte. das hat er wohl verpasst zu ändern. was sich bei schenkers nicht geändert hat ist der job von ehefrau isabelle von siebenthal, die derzeit bei der telenovela "
sturm der liebe" zu sehen ist, noabene eine noch viel prolligere soap als es "lüthi & blanc" gewesen ist. ein fan schreibt im gästebuch der schenker/von siebenthal-website:

Liebe Frau von Siebenthal!
Sie sind eine tolle Schauspielerin!! Es ist angenehm sie jetzt bei Sturm der Liebe zu sehen sie bringen endlich mal wieder frischen Wind in die Telenovela. Ich hoffe ich kann sie noch lange bei Sturm der Liebe sehen. Tatsächlich sind sie der einzige Grund warum ich mir Sturm d. Liebe noch ansehe.
Alles erdenklich Liebe
Ihre Felice M.

schon wieder diese ausrufezeichen! drei in zwei zeilen. gut, ein fan darf das, ist ja auch kein schreiberling mit max reinhardt schule und schreibt ja auch nur in ein olles gästebuch im internet und nicht gleich ein ganzes buch aus toten bäumen für völlig überteuerte 29 bucks. ziemlich sicher hofft auch hans schenker, dass seine schöne isabelle noch lange in dieser prekariats-soap mittun darf und sicher gibt es nur einen grund, dass sie das überhaupt tut: die finanzierung von wohnsitzen in nizza und berlin und weiss-ich-nicht-wo.

eines stört ganz besonders an schenkers schlecht geschriebenem buch: er ist nicht ehrlich. er hat in den niederungen der unterhaltungsindustrie sieben jahre gross abkassiert und genau so lange seine max reinhardt schule mit füssen getreten. erst als die merkwürdig agierende tv-chefin ingrid deltendre die soap absetzt und damit seine geldquelle versiegt, hat er eine freche schnauze – und schreibt ein miserables buch. das ist unglaubwürdig. integre künstler gehen diesen weg entweder konsequent nicht (und bleiben ein leben lang arm), oder sie spielen ihre doppelbödige rolle im showbusiness aufrechten ganges und sind sich von anfang an bewusst: no business like showbusiness.

Hans Schenker, Der Publikumsliebling, 152 Seiten, Verlag Sprint, Fr. 29.-
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4 Kommentare:

  1. danke für diesen text. ich werde das buch nicht lesen, das war aber auch vorher schon klar.
    wenn ich den hans im tv sehe denke ich immer nur eins: persönlichkeitsstörung.

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  2. Der Gottfried Benn nannte die Ausrufezeichen nur 'Brüllstangen'. Das trifft es ganz gut ...

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  3. Ist Dir schon aufgefallen, dass vor allem Frauen einen Hang zur Überpunktion zeigen? Das lesen von Blogs solcher Frauen ist dann umso grauslicher. Wie hoch ist die Frauenquote eigentlich in der BLICK-Redaktion? 99%?

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  4. @ p4x: stimmt, ich fand ihn auch nie besonders lieblich, eher etwas holprig und unecht.
    @ chat: danke für den hinweis, sehr präzise interpretation.
    @ chliitierchnübler: nein, ist mir nicht aufgefallen, aber jetzt wo dus sagst, glaub ich das sofort. frauen sind ja sprachlich ganz allgemein völlig anders drauf wie unsereiner. was manchmal mühsam, manchmal spannend und manchmal sogar noch sexy ist. im übrigen sagte mal irgendwer: sprache ist ein instrument des denkens. find ich auch.

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