26. Juni 2006

Arschkarte für Manor


Immer vor dem Beginn eines neuen Schuljahres hat Werbung für Schulmaterial Konjunktur. Ist ja klar. Champagner wird auch vorwiegend im Dezember beworben. Nur: Meistens wird den Kids hier unsäglicher Schrott verklickert. Miese Qualität aus Fernost, schröckliche Designs, haarsträubende Aussagen in Prospekten und Inseraten.
Weit übers Ziel hinausgeschossen hat jetzt das Warenhaus Manor. In einem der Sonntagspresse beiliegenden Prospekt (hier auch online) bietet das Unternehmen mit dem eher plumpen Slogan "Cool to school" allerlei Equipment für Erstklässler an. Unter diversen unglaublich läppischen Designs hat es zwei, den den Vogel abschiessen. Das eine kommt mit dem Konterfei und dem Namen des kubanischen Revolutionärs Che Guevara daher, das andere mit dem geradezu antipädagogischen Slogan "No rules".

Wie bitteschön kommt Manor auf die Idee, kleine Dreikäsehochs mit einem Che Guevara-Sujet auszustatten? Ist da näxtens auch eines von Karl Marx oder Osama Bin Laden zu erwarten? Ist in der Unterstufe der Lehrplan mit revolutionären Lernmodulen aufgemotzt worden? So quasi als Kontrapunkt zur allgemeinen Konsumgeilheit der Kids?
Und was bitteschön denken sich diese weltfremden Produktentwickler, wenn sie Erstklässler mit dem Slogan "Keine Regeln" ausstatten? Ist die Schule nicht u.a. auch dazu da, den kleinen Menschen gewisse Regeln für das soziale Leben beizubringen?

Dieses pervertierte Angebot ist ein Paradebeispiel dafür, wie weit es mit der gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung von Grossunternhmen her ist. In diesem Fall nicht sehr weit. Wer Erstklässler mit politischen Figuren dekoriert, deren Hintergründe sie weder kennen noch begreifen, wer Kids mit einem Slogan aus irgendeiner Klugscheisserszene zum allgemeinen Ungehorsam aufruft, wer das Ganze dann noch für unverschämt teures Geld in den markt drückt, macht sich der Förderung einer gesellschaftlichen Verluderung schuldig, von der wir schon mehr als genug haben.

Mehr als eine deftige Arschkarte hat Manor dafür nicht verdient. Was die Pressestelle von Manor dazu zu sagen hat, steht demnächst in dieser kleinen Bloghütte.

3 Kommentare:

  1. henusode,
    das Zielpublikum des Prospekts sind nicht die Erstklässler sondern die Eltern der Schulanfänger. Den Anfängern wird es frühestens in der 6. Klasse evtl. peinlich sein mit so einem Gelump am Rücken in die Schule gegangen zu sein (falls sie sich denn erinnern). Die Jungen haben keine Ahnung was "Che" oder "No rules" bedeutet. Mein Nachwuchs besucht momentan die 5. Klasse und hat mich kürzlich gefragt, was denn bitteschön "Fuck" heisse oder "Motherfuck". Diese und weitere Worte werden einfach nachgeplappert (keine Ahnung von wem oder woher) ohne zu wissen was es bedeutet. Die Manor-Artikel sind wohl eher was für Leute in meinem Alter (~40)...

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  2. Lieber Henusode

    Du sprichst mir aus der Seele. Ich kannte diese Beispiele nicht und bin Dir deshalb dankbar für solche Infos.

    Es ist vieles aus den Fugen geraten in unserer Welt. Das war übrigens mitunter einer der Gründe, warum ich mich in ruhigere Gefilde abgesetzt habe. Lesen alleine genügt ja nicht, man muss es auch tun. Und so leben wir hier in Ruhe und Frieden fernab jeglichen Pseudoaktivismus der Zentren.

    Die Kids hier helfen den Eltern auf den Höfen, halten noch was von Tradition und sind auch sonst ganz aufgestellte junge Menschen.

    Du sagst vielleicht ich sei ein "heile-Welt-Nachtrauerer". Nun, allenfalls liegst Du gar nicht so falsch. Ich bin halt einer, der noch was von Tugend, Ehrlichkeit, Fleiss und Bescheidenheit hält. Und damit stehe ich natürlich weitab des Mainstreams. Denn heute ist cool, wer abzockt, das schnelle Geld macht und sich mit Ellenbogen nach vorne kämpft. Die Frage ist nur: Wohin?

    Und nun komme ich wieder auf Deine Schulsäcke zurück, denn dort fängt der Scheiss an. Eltern kaufen den Kids gedankenlos das, was aufgetischt wird. Das geht nachher später weiter, wenn Ausflüge und Freizeitgestaltung den von TV-Spots suggerierten "must-have" Dingen angepasst werden. Eine Teufelsspirale, welche kaum zu unterbrechen ist und sich dann in solchen dingen wie "Freizeitplanung" oder "Familien-Zeitplanungskalendern" ausdrückt.

    Ja, ich sehne die gute alte Zeit zurück, wo Kinder noch am Waldrand im Bach spielten... wo man sich in den Gedanken vergessen konnte und die krativsten Ideen hatte.

    Wie ging das früher überhaupt ohne PC und Internet? .......

    meteo

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  3. früher wars besser, vor allem im rückblick..

    bin auch der meinung, dass wir in einer schizoiden welt leben, wo es hip ist, geschichte als schlagwort in button-format und essen als verpackungsmodul eines geschmackpaketes aller möglichen kombinationen, zu sich zu nehmen.

    der kreislauf besteht für mich im spiel um zuwendung durch konsum. wo auch das verwöhnen und seine emotionale kodierung (wenn du mir was schenkst, liebst du mich)reinspielt. soziale verwahrlosung, burnout, verslumung gehen ins thema.

    amoral. zum beispiel das rechnen mit der konsumfreudigkeit der bevölkerung als wachstumsfunktion der konjunktur.. nicht einfach so für sich, aber als fokussierung bei einer hochrechnung der risiken undsofortblablah.

    abgesehen vom schwanz her das zäumen von tieren.

    gruss topolino

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