15. September 2006

Wer beantwortet Anfragen von Bloggern?

Marcel Bernet hat bei BloggingTom in einem Kommentar zu einer interessanten Migros-Geschichte folgende Frage gestellt:
wer beantwortet anfragen von bloggern?
Diese Frage haben wir uns auch schon gestellt. Darum wollen wir hier als junge und eher kleine Bloghütte aus unserem bescheidenen Blogalltag berichten – especially über die unprofessionelle Blog-Wahrnehmung von professionellen PR-Leuten. Und zwar aus der delikaten Position eines anonymen resp. pseudonymisiertem Blogs heraus.

Nun – wir haben also auch schon hie und da Fragen bei Firmen gestellt, und nicht die harmlosesten. Wir haben wie BloggingTom keine Antwort erhalten. Ausser einmal, gerade kürzlich:

Wir kommentierten hier in bissiger Weise die sog. Expedition Antarctica der renommierten und bekannten Bergsteigerin Evelyne Binsack. Dann stellten wir sowohl dem Projektleiter wie auch den Sponsoren dieses Events per e-mail zwei einfache, aber heikle Fragen. Mit dem Projektleiter hat sich ein ausufernder und sehr freundlicher E-Mail-Kontakt entwickelt. Das ist die Ausnahme, die wohl die Regel bestätigt: Von den Sponsoren kam keine Antwort.

Erfolgreiche Blog-PR

Wir haben in dieser Causa ferner gemacht, was jedes grosse Medium auch macht: PR. Wenn der Sonntagsblick eine spannende Geschichte in petto hat, dann lässt er das die Konkurrenz wissen, damit diese schon mal verbreitet, was der SoBli dann am Sonntag enthüllen wird. Was die können, können wir mit unserer Mini-Bloghütte auch. Mindestens probieren können wirs.

Wir haben also der Sonntagspresse und ein paar anderen Redaktionen ein kurzes Mail geschickt, in dem wir auf unsere Geschichte hinweisen. Und siehe da: Die NZZ am Sonntag bringt's (siehe Bild oben). 17 Zeilen nur, in den Untiefen des Sportteils versenkt, weit weg von den gesellschaftlich relevanten Themen, aber immerhin: In der N-Z-Z--a-m--S-o-n-n-t-a-g. Mit Link zu diesem unwichtigen Neoblog. Aber hallo.

Als junges Blog-KMU freut uns das. Aber Traffic hat es kaum gebracht. Und die Antarctica-Sponsoren haben auch noch keinen Ton von sich gegeben. Entweder sitzen sie's aus oder es ist ihnen nicht bewusst, dass die NZZ am Sonntag ev. nicht das letzte Medium war, das die Geschichte aufgegriffen hat. Vielleicht tut der nächste das ein bisschen grösser und ein bisschen weiter vorne in seinem Blatt und vielleicht ähnlich kritisch wie wir. Denn die Geschichte über die Reise ins Nichts ist nicht nur in dieser kleinen Bloghütte versorgt, sondern mit dem naheliegenden Suchwort bei der Google-Blogsuche an erster Stelle. Und bei Technorati an achter. Nun denn.

Die PR-Damen von Manor

Ebenfalls keine Antwort bekommen haben wir von den zwei Damen, die in der PR-Abteilung des Warenhauses Manor tätig sind. Zu einem sehr zweifelhaften Produkt aus diesem ehrenwehrten Haus haben wir eine bissige Geschichte geschrieben und die PR-Abteilung um eine Stellungnahme gebeten. Wir hörten keinen Ton. Ausser einem verdächtigen Kommentar (vermutlich aus dem Umfeld der beiden PR-Damen) war da gar nix. Auch hier sieht es in Sachen Internetgedächtnis so aus: Bei der Google-Blogsuche (Suchbegriff "manor") sind wir unter dem reisserischen Titel "Arschkarte für Manor" auf Platz fünf, bei Technorati auf 7.

Wir bilden uns darauf auch nichts ein, wir sind ja hier nur ein kleines Experimentierblog und probieren einfach aus was geht und was nicht. Aber wenn man das weiterdenkt, könnte es für die obgenannten Akteure weit ungemütlicher werden, als es vielleicht bisher war. Wie gesagt: Wenn die eine Geschichte über die Expedition Antarctica in dieser Mikro-Bloghütte selbst einer NZZ eine Meldung wert war, dann kann unsere bissige Manor-Geschichte einem andern Titel durchaus Inspiration sein zu einer grösseren Geschichte. Die dann per copy-paste ihren Lauf nimmt. Henusode.

Aus dieser Perspektive ist es doch sehr erstaunlich, dass die Migros nicht mal auf einen der meistgelesenen Blogger der Schweiz reagiert. Denn: Umgekehrt funktioniert es durchaus nicht schlecht. Oben beschriebenes Beispiel – ein Nobodyblog schafft's in die Zeitung – ist das erste, das wir in unserer noch nicht einmal halbjährigen Bloggeschichte erleben durften. Das zweite sei hier auch noch kurz erzählt:

2'000 Page Views dank Blick Online

Die Lancierung unseres vielgerühmten Nebenblogs haben wir, wie es sich für ein ambitiöses Blog-KMU gehört, mit einer Medienmitteilung angekündigt – bei den grossen Old-School-Medien und einem guten Dutzend Blogs. Eine handvoll Blogs berichtete darüber. Bei den meisten grossen Titeln wanderte das entsprechende Mail aber warscheinlich direkt im Papierkorb. Nur bei Blick Online nicht. Die brachten eine wohlwollende "Rezension" unserer Neulancierung auf ihrer Medienseite und das brachte uns gut 2'000 Page Views an einem einzigen Tag. Und jetzt, einige Wochen später, immer noch täglich ein paar Dutzend. Für ein – nocheinmal: anonymes – Blog-KMU wie unseres ist das gigantisch.

Unsere bescheidene Erfahrung hat uns also gelehrt, dass man es als völlig unbekannte und erst noch anonymisierte Bloghütte in die grossen Medien bringen kann. Das sollte eigentlich allen PR-Abteilungen zu denken geben.

Weil uns die heutige Migros-Geschichte bei BloggingTom zu diesen kleinen Exkurs inspiriert hat, ist zur professionellen Wahrnehmung von Blogs auch noch folgende Anektote erzählenswert: Bei der bekannten Blog-Aktion von Mindjet haben wir natürlich subito um einen Gratis-Lizenzschlüssel für deren führende Mindmap-Software gebettelt. Wohlverstanden als anonymes Blog, ohne konkretes Impressum, ohne gar nix. Wir haben ihn bekommen, ebenso subito, es vergingen keine zwei Tage. Wir fanden das sehr interessant und wir waren begeistert von dieser Offenheit der Blogospähre gegenüber.

Das Mindjet-Fettnäpfchen

Auch BloggingTom hat sich um einen Lizenzschlüssel dieser Hammer-Software bemüht und bei Bekanntwerden der Aktion auch sofort einen enthusiastischen Blogeintrag dazu gepostet (er freue sich schon auf sein Exemplar) – den Mindjet dann umgehend in einer nachgeschobenen Pressemitteilung zitiert hat. Schön und gut. Aber danach hat er von den Mindjet-PR-Jungs rein gar nichts mehr gehört. Erst sechs Wochen später, nachdem er sich in einem Blogpost darüber gewundert hat, dass scheinbar jeder Kuschelblogger eine Lizenz erhalten hatte und nur er nicht, hat man ihn dann doch noch bedient. Trotzdem: Bei Technorati ist auch dieses Fettnäpfchen top gelistet.

Das ist irgendwie, als ob die Firma Neumann allen Rocksängern der Schweiz ihr neuestes Edel-Micro gratis andient und dann ausgerechnet Polo Hofer oder Sina dabei übergehen würde. Ein PR-Fettnäpchen der strongen Sorte, würden wir mal meinen.

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Update: Eine kritische Bestandesaufnahme des Internet-Phänomens Weblog findet sich heute in NZZ Online.

2 Kommentare:

  1. Vielleicht sollte man bei diesen ganzen Blog-Sachen den kleinen Unterschied zwischen sich wichtig nehmen und wichtig sein berücksichtigen.

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  2. @ matthias: ganz richtig. wir haben ja auch ausdrücklich erwähnt, dass wir uns viel weniger wichtig nehmen als es vielleicht aussieht.
    dennoch zeigen die beiden erfahrungen, was im kleinen möglich ist. und wenn man das weiterdenkt, wird die blogszene dann irgendwann doch wichtig. aber vielleicht magst du so weit nicht denken.

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