2. Mai 2006
Maitannli
Während in den Städten der Schwarze Block Randale macht (sorry, aber auch als linksliberaler Freigeist kann ich das nur lächerlich finden), geht auf dem Lande in der Nacht zum 1. mai eine ganz andere Fuer ab. Die jungen Männer stellen nämlich ihren Angebeteten ein Maitannli vors Fenster.
Dabei ist es Brauch, dass sich ein paar Jungs zusammentun, im Wald eine möglichst grosse Tanne freveln, diese schälen und nur den obersten Bitz, etwa in Weihnachtsbaumgrösse, stehen lassen und diesen dekorieren. Auf das Tannli kommt dann noch ein Schild mit dem Namen des Mädchens und dann wird das Teil in aller Nacht und möglichst leise aufgestellt.
In manchen Dörfern wird auf dem Dorfplatz ein einziges Tannli für alle Mädchen aufgestellt, das finde ich weniger sexy als das persönliche Tannli.
Bei uns im Quartier wurden gestern Nacht zwei Maitannli gestellt. Die obere Crew zählte etwa 6 Jungs, die untere nur zwei. Diese beiden behalfen sich mit einem Traktor und brachten es tatsächlich fertig, das etwa 12 m hohe Tannli aufzustellen. Die Konstruktion mit nur drei Stützen ist zwar – auf freiem Feld – statisch etwas gewagt, aber es steht. Noch.
Nun könnte es ja sein, dass ein Mädchen im Dorf nicht nur einen Verehrer, sondern deren zwei hat. Dann läuft es so: Verehrer 1 rückt mit seiner Crew an und stellt das Tannli auf. Dann rückt Verehrer 2 mit seiner Crew an, entfernt das Maitannli von Verehrer 1 und stellt sein eigenes hin. Darauf hat Verehrer 1 die Möglichkeit, das Tannli von Verehrer 2 ebenfalls zu entfernen und seinerseits mit Tannli Nummero zwo aufzufahren. Worauf natürlich auch Verehrer 2 mit einer Reservetanne anrücken kann. Aber nur, wenn er bis zum Morgengrauen fertig wird damit. So will es der Brauch.
Das ist auch der Grund dafür, dass die Stellbuben, wie die Jungs hier genannt werden, erst spät nach Mitternacht anrücken und so ihren Widersachern schon zum Vornherein den Wind aus den Segeln nehmen. Allerdings kommt es recht selten zu solchen Duellen. Aus einem Dorf im vorderen Emmental ist ein Fall (aus der jüngeren Geschichte) überliefert, bei dem in einer Nacht drei Maitannli vors gleiche Fenster gestellt wurden.
Die beiden Mädchen bei uns im Quartier hatten riesige Freude an ihrem Maitannli. Jedes junge Mädchen hat Freude daran. Und es ist auch guter Brauch, dass die Stellbuben am 31. Mai das Tannli wieder wegräumen und dann von der Familie des Mädchens zu einem grossen Znacht eingeladen werden. Dann spätestens ist für die Angebetete die Gelegenheit, dem Anbeter zu verstehen zu geben, ob sie ihn will oder nicht...
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