28. Juli 2006
Floyd Landis: Nerven wie Drahtseile
Für die meisten Veranstaltungen wäre das ein Gau von jener Sorte, der eine Marke für lange Zeit in der Versenkung verschwinden lassen kann. So wie seinerzeit beim Weinskandal in Oesterreich, nach dem für viele Jahre fast niemand mehr im restlichen Europa österreichischen Wein trank. Ob es für die Tour de France auch ein Gau mit solch dramatischen Auswirkungen wird, ist fraglich. Sie ist ein Koloss unter den Sportevent-Marken.
Interessanter erscheint mir im Moment die Nervenstärke von Floyd Landis. Vor der Tour der Megaskandal in Spanien, dann das konsequente Durch- greifen der Tourleitung: ein Viertel der ganzen Fahrerfeldes wird ausgeschlossen, inkl. eine handvoll Favoriten. Ein richtiger A-Skandal, er gibt weltweit zu reden. Nicht im Sportteil, auf den Titelseiten.
Greg Landis darf starten. Wenn er gedopt war (die B-Probe steht noch aus), dann muss man dem Mann wenigstens ein Kränzchen winden: Er hat Nerven wie Drahtseile. Da tobt direkt vor seiner Nase der grösste Dopingskandal in der Geschichte der Tour und Landis spaziert an den Start, als ob nichts wäre. Fährt die Tour, gewinnt sie in der 17. Etappe fulminant und steht dann in Paris strahlend auf dem Podest. Gedopt. Aber er lächelt weiter und posiert sogar kaltblütig mit dem stolzen Andy Rhis, dem auf der letzten Phonak-Tour sein erster Toursieg geschenkt worden war. Kaum auszudenken, wie der jetzt, vier Tage später, in seinem Büro in Stäfa rumtobt.
Ziemlich kaltblütig, sowas. Mit was ist das zu vergleichen? So in Sachen Nervenkitzel? Ein Banküberall? Ist gegen das Husarenstück von Floyd Landis ein Nasenwasser. Kurze Aufregung, grosse Gewinnaussicht. Krieg führen im Irak? Für einen Profiblender wie Bush kein Problem. Heimlich alle Microsoftaktien aufkaufen? Wäre thrilltechnisch auch nicht schlecht. Wir sehen: Floyd Landis ist wenigstens in Sachen Nervenstärke der Master. Wobei man ja sagen muss, dass es auch für den mentalen Bereich wunderbar effiziente Präparate gibt. Werden die Herren eigentlich auf Kokain getestet?
Bei aller Aufregung muss hier auch gesagt sein, dass auf der Tour gedopt wird, seit es sie gibt. Vom Absinth über Opium bis zu Epo hat man dort schon alles ausprobiert und vieles mit Erfolg angewendet. Hätten all die Fahrer jeweils die Verpackung ihres Präparats fotografiert, könnte ich jetzt locker die Dopingbox Collection aufziehen und dann hätte ich schon drei Blogs. Ungedopt.
(Karikatur geklaut bei: www.karikatur-cartoon.de)
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