29. Juni 2009

sag irgendwas!


der neue auftritt der sp schweiz ist etwas irritierend. am meisten zu reden gibt dabei der radikal kurze slogan – "ja".

roger schawinski frotzelt bei persönlich.com, die svp würde bald mal mit "nein" kontern und die fdp dann mit "jein" nachziehen. der rest dieses stammtischwitzes ist schnell zu ende gedacht: die cvp sagt "na ja", die bdp "nein, aber". für die grünen würde vielleicht ein mantramässiges "jom" noch passsen. aber bitte mit grafisch umgesetzter mantraphrasierung.

ich halte den slogan für eine ungewöhnlich schlechte arbeit eines gewöhnlich erstklassigen werbers. – schon auf regionalstufe versteht man das allerweltswort aka slogan nicht mehr, wie dieser blogpost des langenthaler sp-stadtpolitikers retoM. zeigt. das gejaule einer klassischen sp stammtischrunde kann man sich auch gut vorstellen. und das gejohle in den feindlichen parteizentralen landauf landab erst recht. hüstel.

die neue website zum neuen slogan sieht aus wie die website der jusos aussehen sollte, denn facebook schreit dich zuvorderst an, als sei es mit dem zum sp-rot kontrastierenden facebook-blau eine art jugendalibi. dass es doch nicht juso sein kann, sondern das gute alte sp dampfschiff, merkt man an der prominenten ankündigung einer kunstausstellung im zentralsekretariat. titel: "porträts, körper, landschaften". vermutlich eine wanderausstellung, die zuletzt im altersheim oerlikon zu sehen war.

auch sonst hat man bei der sp schweiz zum web 2.0 trotz schreiendem facebook banner noch nicht wirklich "ja" gesagt. unter dem unkreativen titel "Sag Ja!" heisst es prominent zuoberst: "Die SP hat ein neues, frisches Gesicht und eine positive, klare Botschaft." ein teaser, der auch bei einem wellness spa oder einem dieser dubiosen motivationstrainer stehen könnte. dann kann man auf "anschauen und hören" klicken und kommt nicht etwa zu einem youtube video oder noch besser einem screencast, sondern man muss sich ein wmv-video runterladen. WEE-ÄM-VAU! ein format aus dem letzten jahrtausend!

und diese ausrufezeichen überall! sie sind das klassische protesttranspi der klassischen sp-sprache! auf der oberen hälfte der startseite gibt es gleich vier davon! vier zu viel. die sp ist ja eine soziale partei und kein supermarkt, der einem sein geilstes dumpingangebot in die birne hämmert (sozial ist geil!). überhaupt gehören ausrufezeichen in der institutionellen kommunikation abgeschafft. oder am besten ganz.

ach ja, ein neues logo haben sie neben dem slogan auch noch. eine art würfel. wie man bei retoM. nachlesen kann, ist das eine anlehnung an andere europäische sp's, vor allem die deutsche. ob das, wie bei einem international tätigen konzern, wirklich sinn macht, bezweifle ich. insbesondere auch darum, weil die sp's der welt mit der roten rose ein nahezu perfektes und weitherum bekanntes logo hatten. eine derart gut eingeführte und starke bildmarke einfach zu kippen, finde ich für eine partei mit konstanten geldsorgen überhaupt nicht opportun. man könnte es sogar fahrlässig nennen.

und sonst? auf der website gibts noch einen solarshop. da kann man thermoskannen aus edelstahl oder "Sitz-/Meditationskissen mit aufapplizierter Sonne" kaufen. aufappliziert? egal – auch sonst ist das der grauenhafteste internetshop zwischen palermo und amsterdam (in einem completely anderen und totally hässlichen design und OHNE facebook fanpage). leider ist auch die videoseite nicht viel besser. alter kontent, z.t. uralt, publiziert in einem nicht einbettbaren videoformat (statt z.b. youtube). dafür kann man die medienmitteilungen mit einem php skript in die eigene website einbinden. auch das ist in zeiten von widgets und ipone apps irgendwie von vorgestern.

fazit: dieses rebranding ist misslungen, denn es ist unfertig. der etwas esotherisch anmutende slogan wird (jedenfalls auf der website) null adaptiert/weitergedacht, so dass er in variierenden anwendungen schub bekäme. nicht mal der sp-vizepräsident cedric wermuth schafft es, das neue teil auf seinem blog einzubauen. und schon gar nicht auf der juso-seite, wo der begabte jungpolitiker ja der chef ist. dafür fehlt bei juso.ch der facebook button.

der slogan steht wie ein solitär oben auf der seite und damit hat sich's. er wird nicht mal auf der französischsprachigen website an die erste stelle gerückt. abgesehen davon ist es sowieso fraglich, warum er auf der deutschen und der französischen seite zweisprachig gezeigt wird. eine italienischsprachige seite fehlt gänzlich, dabei hatte die sp ihre letzte grosse büezeraktion doch im tessin.

ja, es hat überall ein wenig web 2.0, aber nirgends richtig. im blog beispielsweise, der königsdiziplin des weg 2.0, sind gerade mal 6 sp-stars mit ihren blogs verlinkt. dabei haben lokal oder regional agierende sp blogger, von denen es etliche gibt, unter dem strich wohl mehr einfluss auf die parteibasis als die stars, die man jeden freitag in der arena sieht.

das beste an diesem neuen auftritt scheint mir: die anderen grossen parteien machen es auch nicht besser.

und schawi hat recht: reduced to the nix.
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28. Juni 2009

die dunkle seite der digitalen welt


ausgediente computer werden hierzulande beim händler oder an einer offiziellen sammelstelle entsorgt. die schicken die ganze hardware nach afrika, wo man als erstes deine kreditkartenddaten von der harddisk saugt und dein konto leerräumt.

was mit deinem alten compi sonst noch so passiert, ist ein bild des grauens.
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27. Juni 2009

wir sind qualität

ich fand es in der kulturszene der 80er und 90er immer etwas seltsam, dass sich die akteure als profi-irgendwas bezeichnen – als profimusiker, als professionelle theatertruppe, oder als hauptberuflicher schriftsteller. heute krankt die szene am gegenteil – fast jeder schreibt profilaktisch schon mal was von kunst (oder medien ;-) auf seine website.

egal – jedenfalls kommt es mir immer höchst suspekt vor, wenn jemand auf oberster obene (also etwa in der berufsbezeichnung) extra betonen muss, dass seine dienstleistung professionell ist. das hört man aus anderen metiers schliesslich auch nie. keiner nennt sich profikaminfeger oder qualitätsnotar.

das phänomen des selbstreferentiellen "ich-bin-der-beste-geschreis" hat mittlerweilen voll auf die medienbranche durchgeschlagen. google zeigt für den begriff "qualitätsjournalismus" 158'000 resultate, für profimusiker nur noch 85'000. und die grösste schweizer internet medienseite schreit es sogar zuvorderst/zuoberst auf ihrer website in die welt hinaus. mit ausrufezeichen.
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14. Juni 2009

hast du eine botschaft?

in einer filmkritik über den politthriller "state of play" in der NZZaS ist die rede von einem geflügelten wort unter alten filmmoguln in hollywood:

hast du eine botschaft, nimm die post, nicht das kino.

die autorin pia horlacher adapdiert den merksatz auf die gegenwart:

hast du eine botschaft, nimm das internet, nicht die zeitung.

das hat was. – heute bei der sonntagspresse gedacht: zwei bis drei printouts pro woche würden mir eigentlich genügen. kommentare, analysen, reportagen, alles top geschrieben, unaugeregt, schön gestaltet.
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12. Juni 2009

go for it, tagimagi

eigentlich wollte ich zur klammheimlichen abschaltung der leserkommentare beim tagesanzeiger magazin ja nichts mehr schreiben. zumindest bis sich die newslage drastisch verändert. dass das schon nach 10 tagen der fall sein würde, war nicht gebucht.

man glaubt es kaum: die kommentare sind wieder online, die leseraccounts sind wieder da.

warum auch immer – das ist ein gutes zeichen.

leider bleibt es bei diesem zeichen, es gibt auch diesmal keine offizielle mitteilung. was eine tiefebene der spekulation eröffnet.

hans saner, der schweizer philosoph, hat dazu in "anarchie der stille" einen träfen satz parat:

man kann zeichen hinterlassen, ohne damit etwas sagen zu wollen.
man kann aber nichtverhindern, dass sie etwas sagen.

ich interpretiere dieses zeichen als öffentlich praktiziertes chaosmanagement. das ist mir immer noch symphatischer als die sture strategenhaltung der andiewandfahrfreaks.

go for it, tagimagi. es ist ein echt gutes zeichen.

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> die info kam via kommentar bei ugugu
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11. Juni 2009

finanzkrisenfreaks ab nach sibirien


das wissenschaftsmagazin quarks & co. erklärt das ganze riesige finanzpuff in 45' so, dass ich auch als nichtfinanzer einigermassen nachvollziehen kann, was hier abgeht.*

dass ein solches system überhaupt legal ist, das soll mir mal jemand in maximum zehn sätzen erklären. oder meinetwegen in einem 45' film.

und ich frage mich (nicht zum ersten mal), was eigentlich politiker so tun, wenn sie nicht gerade scheinheilige antirauchergesetze rumtrompeten (und damit nur vom wesentlichen ablenken). pfeiffen, elende.

von den finanzkrisenfreaks, die den ganzen schlamassel mitangekurbelt haben, ganz zu schweigen. ab nach... sagen wir sibirien. dahin wolltet ihr uns in den 70ern auch immer schicken, wisst ihr noch? jetzt seid ihr dran, kollegen. und tschüss.

was ich jetzt auch begriffen habe: die usa gehören bald china (wegen den schulden). das sind eigentlich die besten news in dieser hervorragend gemachten sendung.

alles in allem: was für ein saftladen, diese welt. ts...

und hier geht es weiter mit entertainment.

* hier mp4 downloaden (und hier hats ein vorbildlich gemachtes skript/pdf)

ps: wer die sendung geguckt hat: die geschichte von pizzabäcker fabio ist mir gerade diese tage in echt über den mac gelaufen: diese designer aus zürich machen aus dem simplen errex industriegestell ein cooles möbelbausystem (inkl. online composer, was die hier immer noch nicht fertigbringen). so geht das.
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7. Juni 2009

der rolex dealer bei twitter


twitter als business tool ist ja der hype unter allen marketingfuzzis 2.0. wie das aber wirklich gehen soll, wissen nur die wenigsten, die meisten versuche sind schrott.

gestern ist mir einer über den weg gelaufen, der es nicht wirklich schlecht macht. irgendwie hat es sogar noch einen gewissen (amerikanischen) unternehmercharme.

nach federers sieg gestern nachmittag fiel mir auf, dass er auf dem siegerpodium seine uhr an seinem linken handgelenk immer sehr fotogen präsentierte. worauf ich die obige frage in meine followerrunde (the best zwischen palermo und amsterdam) warf.

die antworten kamen postwendend, und zwar deren vier:


für einen sonntagnachmittag nicht schlecht. überhaupt: ich habe schon oft eine frage gestellt und quasi sofort nützliche antworten darauf bekommen. das finde ich sehr geil. bei den meisten dieser fragen hätte ich mir zuerst lange überlegen müssen, was ich der suchmaschine nun sage, damit sie mir die richtige antwort liefert. da hat man ja nicht immer gleich die richtigen begriffe in der richtigen reihenfolge parat und verplempert für eine kleine frage schnell mal eine ganze stunde.

zu meiner nicht ganz so ernst gemeinten frage von heute nachmittag kamen also vier antworten. das muss auch mister bill shane in den usa via twittersearch locker rausgefunden haben – zwei stunden später kommt schon seine followeranfrage.

in seinen twitterstream postet er ausschliesslich angebote von gebrauchten rolex bei ebay. er ist dort powerseller seit vielen jahren und hat beste referenzen. das ist schon mal was ganz anderes als eine schlechtgemachte website, die man normalerweise auf solchen twitter accounts serviert bekommt.

mister shane wird sich kaum die mühe gemacht haben, unsere tweets zu übersetzen. es reicht im zu wissen, dass da ein paar leute über rolex zwitschern, ergo ist die chance durchaus vorhanden, dass da auch der eine oder andere potentielle kunde dabei ist. das kostet ihn jeden abend eine kurze suche bei twittersearch, ein paar followingbuttons drücken und gut ist.

viel aufwand ist das nicht, um sich so zielgruppengenau und quasi in echtzeit bei potentiellen kunden mit einem konkreten angebot bemerkbar zu machen. wenn mister shane aus diesen bemühungen nur einmal pro monat einen guten deal rausholt, dann hat sich sein aufwand mehr als gelohnt.

ps: ich will übrigens keine rolex. wenn schon würde ich eine iwc haben wollen. die machen seit jahren tolle werbung.
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6. Juni 2009

3vor12 für finn canonica und andere edel-dau's

herr canonica, chefredaktor des tagimagi, über das ich in letzter zeit ein wenig viel schreibe, ich weiss, aber ich lese es nun mal seit meiner jugend und das ist gute 3 jahrzehnte her. aber so schräg drauf waren die dort noch nie, ich sags euch...

henusode. herr canonica also hat ja via persönlich.com verlautbart:

"Wir sollten uns allmählich Gedanken machen, ob es klug ist, qualitativ hochstehende Inhalte kostenlos anzubieten."

hätte er sich in den letzten jahren ernsthaft mit dem netz befasst, wie es als journalist in dieser position seine heilige pflicht gewesen wäre, würde er sich mit dieser frage kaum so hochkant blamieren. er hätte dann nämlich ev. selber herausgefunden, wie das netz tickt und er wäre vielleicht auch über eines der vielen blogpostings gestolpert, die diesen paradigmenwechsel in der medienbranche mit hocharätigen beiträgen begleiten.

alleine heute morgen bin ich über drei erstklassige artikel gestolpert, die die neue netzwelt auch für edel-dau's aus grossen verlagshäusern auf den punkt bringen:

1)
da wäre zuerst der hervorragende blogpost "warum bezahlinhalte nicht funktionieren" bei netzwertig.com. sinnigerweise ist dieser text wie für herrn canonica bestellt gestern erschienen. der autor marcel weiss begründet nachvollziehbar, warum das nachdenken über bezahlinhalte zeitverschwendung ist. chefredaktoren und verleger sollten statt dessen einfach mal das autorenbutton von weiss drücken, er dröselt da die komplexen funktionsweisen des web 2.0 nämlich regelmässig auf.

2)
im artikel von weiss meldet sich die medienjournalistin ulrike langer und verweist auf ihr posting "10 strategien für den journalismus 2.0". zum thema "hyperlokal denken" erzählt sie von einem coolen, gelungenen experiment:

Der Yorker Radiosender WNYC (public radio) rief im Oktober 2007 in einem von mehreren interaktiven ”crowdsourcing experiments” seine Hörer dazu auf, den Preis für eine Tüte Milch, ein Sixpack Bier und einen Salat in ihrem Laden um die Ecke zu ermitteln und kam so innerhalb von 24 Stunden auf 800 Einträge für eine interaktive Preisübersicht als Karte – ein Rechercheaufwand, den die Handvoll Journalisten des Senders niemals hätten leisten können, 800 interessierte Bürger aber ohne weiteres.

angesichts solcher innovationen im medienbusiness finde ich es schon irgendwie schräg, wenn herr canonica zur kürzlichen (stillschweigenden) ausknipsung von 2 jahrgängen an hochstehenden leserkommentaren lapidar meint:

"Kritik und Lob interessieren uns natürlich nach wie vor, jedoch scheint mir der gute alte Leserbrief die beste Form dazu."

für einen chefredaktor der grössten und renommiertesten wochenendbeilage der schweiz ist mir das zu wenig.

3)
das renommierte time magazine titelte gestern mit einem twitter-cover "how twitter is chanching the way we live":



falls das exemplar am kiosk von herrn canonica schon vergriffen ist, könnte er den höchst brisanten text auch online nachlesen. das problem ist nur, er mag das internet nicht.
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55' weltgeschichte



was für eine rede. 55 minuten weltgeschichte.

endlich wiedermal ein herausragender redner in der weltpolitik. europas politiker sollten sich sputen – die latte liegt hoch.

und die schweizer politiker... ach, lassen wir das. einfach oben eine stunde investieren.

+ + + + +

hier gibts die rede mit deutscher simultanübersetzung.
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5. Juni 2009

canonica unter aller kanone

der magazin chefredaktor finn canonica hat zur streichung von mehreren hundert leserkommentaren aus den letzten zwei jahren stellung genommen. bei persönlich.com sagt er vorneweg:

"Wir haben schlicht nicht die Zeit und das Personal, um die Diskussionen auf unserer Webseite zu begleiten."

mit anderen worten: die haben einen dienst eingeführt, für den sie die nötigen personellen ressourcen nicht bereitgestellt hatten. für ein unternehmen wie tamedia ist das ein managementfehler unter aller kanone. wie kann so etwas passieren? im grössten medienhaus der schweiz? meine einschätzung: ignoranz, inkompetenz und beratungsresistenz.

sehr aufschlussreich auch dieser satz:

"Ich persönlich bin skeptisch geworden gegenüber den journalistischen Möglichkeiten im Internet. Das Gerede um die Möglichkeiten des Citizen Journalism begreife ich nicht."

voilà – er begreift es schlichtweg nicht, was die möglichkeiten des journalismus im internet sind. mit anderen worten heisst das: wir haben uns nicht damit befasst, wir haben keine ahnung von nichts, basta. kein wunder also, dass cannonica und seine edelfedern das netz als einschränkung statt als erweiterung ihrer möglichkeiten interpretieren.

das wirklich schlimme an der medienkrise ist, dass sich die medienbranche bisher herzlich wenig mit den möglichkeiten des internets befasst hat. dabei wäre diese branche von ihrem wesen her die erste, die sich damit hätte befassen müssen. seit jahren sprechen die fakten eine klare sprache, seit jahren ist – selbst für den interessierten laien – erkennbar, dass grosse teile des klassischen geschäftsmodells von verlagen wie tamedia ins internet abwandert.

da erstaunt diese aussage des herrn chefredaktors doch sehr:

"Wir sollten uns allmählich Gedanken machen, ob es klug ist, qualitativ hochstehende Inhalte kostenlos anzubieten."

allmählich? ich hab schon immer gesagt: die zürcher sind die besseren berner. wenn sich aber herr canonica und seine tamedia erst jetzt und erst allmählich gedanken dazu machen, dann sehe ich schwarz. 2007 alle inhalte ins netz stellen und sich 2009 allmählich gedanken dazu machen – wie schräg ist das denn?

wer das netz begreifen will, muss es benutzen. wer wie finn canonica seinen twitter account schon nach wenigen wochen wieder hinschmeisst und nicht mal den ehrgeiz hat, das ding richtig aufzusetzen (z.b. mit einem link zur eigenen seite), hat null chancen, twitter auch nur ansatzweise zu begreifen. wer nicht selber bloggt oder zumindest intensiv in blogs mitliest, wird nie kapieren, wie das mit links und trackbacks und rankings etcpp. wirklich läuft.

soweit so schlecht. die paranoide komplettverweigerung der medienbranche gegenüber den möglichkeiten des internets ist ein sehr seltsames phänomen, irgendwie absurd.

aber neben der internetkompetenz ist bei cannonica noch eine andere tugend – ohne die es im netz auch nicht geht – total abwesend: anstand. cannonica hat einige hundert leserkommentare und eine unbekannte anzahl leseraccounts einfach ausgeknipst. kein wort dazu auf der website, kein mail zur information an die inhaber der accounts. arroganter gehts nun wirklich nicht mehr. und dann die kommentatoren auch noch mit diesem satz in die pfanne zu hauen, ist unter aller sau:

"Kommentare zu Artikeln auf dem Web sind manchmal sehr "dahingerotzt", oft wird gar nicht auf den Artikel eingegangen."

kein wort davon, dass es auf der tagimagi website neben den wenigen solchen kommentaren (die es überall gibt) mehrheitlich beiträge hatte, die von engagierten lesern ernsthaft und mit einigem zeitaufwand gepostet wurden. die qualität der postings war eindeutig überdurchschnittlich. alle diese kunden haut er jetzt einfach mal in die rotzpfanne. ähnlich arrogant ist er schon im februar 2008 aufgetreten, als er die sog. leserbeteiligung auf die gleiche weise ausknipste. wer da mehr rotzt, canonica oder seine leser, möge jeder für sich entscheiden.

ich jednefalls wette eine kiste edelzwicker, dass solche journalisten und verleger in spätestens 5 jahren in der bedeutungslosigkeit verschwunden sein werden. arroganz und fachliche inkompetenz sind keine grundlage, um im neuen medienzeitalter zu überleben.

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siehe auch den beitrag beim medienspiegel.
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3. Juni 2009

namics lanciert eine dynamische wortmarke


der führende webdienstleister der schweiz, die namics ag in zürich, ging gestern mit einer werbetechnischen innovation an den start: mit einer dynamischen wortmarke.

zuerst ein kleiner exkurs zur klassischen wortmarke:

eine wortmarke (neudeutsch redet man von brands) ist immer etwas statisches. also entweder ein schriftzug, der eine logofunktion übernimmt, wie der von coca cola. oder ein schriftzug mit einem separaten bildelement/logo dazu, wie der von der ubs mit den drei schlüsseln daneben.

die wortmarke wird jeweils begleitet von einem slogan oder einer baseline. manchmal stehen diese textelemente ein produktleben unverändert unter der wortmarke, manchmal werden sie alle paar jahre gewechselt, in jüngster zeit eher häufiger.

eine wortmarke besteht also immer aus zwei elementen, nämlich der eigentlichen wortmarke plus einem slogan.




in den 50ern arbeitete coca cola mit dem heute noch bekannten slogan "mach mal pause - trink coca cola". in den anstrengenden wiederaufbaujahren war das die richtige aussage. aus den 60ern stammt dieser klassiker: "er läuft und läuft und läuft" – für den legendären vw käfer. besser kann man es nicht sagen, besser kann man eine marke nicht aufladen.

eine marke braucht viel zeit, um bekannt zu werden, um sich bei den rezipienten einzuprägen. darum sind wortmarken immer etwas sehr statisches, das allenfalls alle paar jahre ein wenig auf den gerade aktuellen zeitgeist anpasst wird, sei dies grafisch oder im slogan. gut nachvollziehbar ist das z.b. bei den slogans von saturn:

1997: spar dich reich
1999: das gibt's doch gar nicht.
2002: geiz ist geil!
2007: wir lieben technik. wir hassen teuer.
2008: wir hassen teuer.

weitere solche listen findest du bei slogans.de (wo übrigens seit 2004 auch mein slogan verewigt ist).

soweit das wchtigste zur klassischen wortmarke – im zeitalter des internettempos eine geradezu extrem statische angelegenheit.

namics stellt alles auf den kopf

der schweizer webdienstleister namics geht mit seinem heute veröffentlichten neuen auftritt ganz andere wege und lässt in sachen wortmarke keinen stein auf dem andern. die rede ist hier von einer dynamischen wortmarke. ein klick auf die website genügt, um zu erfahren, wie das funktioniert: der "slogan" besteht aus einzelnen begriffen, die minutenaktuell aus einer datenbank gesogen werden. susanne franke, markom frau bei namics, erklärt auf anfrage den vorgang wie folgt:


Die Marke generiert sich minutenaktuell aus einer Datenbank. Dorthin kommen sie aus Flickr-Bildern von Namicslern (via Spider), E-Mail, manuelle Eingabe via Intranet und Blogposts, Corporate Words kommen aus dem Markom-Team. Aus der Natur der Quellen folgt auch die zeitliche Gewichtung der Worte in der Marke. So ist zum Beispiel ein Foto im Flickr kurzlebiger als ein Thema über das wir mehrfach referieren. Die Impulse (Worte), aus Flickr sind 24 h aktiv, Corporate Words (kommen vom Markom zum Beispiel aus Kunden-Referenzen) verfallen. alle anderen Worte kommen von den genannten Quellen und haben unterschiedlich kurze oder Lebzeiten. Es gibt keinerlei Filter und Blacklist.

offline, d.h. für anwendungen der dynamischen wortmarke auf printmedien wie plakaten, broschüren, stelleninseraten, messeständen und dergl. passiert die auswahl der begriffe laut su franke so:


Für ein Event zum Beispiel ziehen wir im Markom Team die Impulse passend zum Thema entweder aus den Referaten oder auch umfeldbedingten Texten, Blog-Posts (zum Beispiel, wenn der Wettbewerb etwas sagt, können wir das gegenteilige Wort belegen) übrigens auch die Farben anpassen, damit sie an einer Logotafel nicht untergeht, können wir eine komplementäre Farbe wählen, die keiner sonst hat.

kurz und gut: die wortmarke wird in einem baukastensystem immer wieder neu zusammengestellt und hintendran läuft eine art web 2.0 motörchen. die wortmarke prägt das ganze corporate design in einem ausmass, wie man es bisher noch kaum gesehen hat.

ein sehr spannender ansatz, inspiriert aus dem social web – die mitarbeiter bestimmen die kultur "ihrer" firma, sie machen die firma letztlich aus und sie sie prägen ergo die wortmarke mit ihren inputs. damit dies nicht nur eine worthülse bleibt (wie so oft bei solchen konzepten), reicht eine dynamische wortmarke allein natürlich nicht aus. wenn dieser ansatz gegen innen nicht gelebt wird, wird er von aussen auch nicht geglaubt.

soweit ich namics in den letzten jahren beobachtet habe, scheint dort eine sehr kollaborative, kreative und lockere atmosphäre zu herrschen. der ceo jürg stucker pflegt im namics blog jedenfalls einen erstaunlich offenen ton, der für einen branchenführer mit fast 300 mitarbeitern alles andere als selbstverständlich ist (das gleiche gilt für seinen twitter account). seit jahren liest man im namics blog, wie mit wikis und internen blogs experimentiert wird, also neue technologien zuerst ausprobiert werden, bevor man sie den kunden verkauft.

bei namics werden schon mal vorträge in zügen gehalten und es gibt einen kunstpreis, der sich mehr als sehen lassen kann. und die mitarbeiter sind bis zur letzten sekretärin nicht nur erwähnt, sondern mit einer top fotografierten aufnahme porträtiert. man zeige mir ein ebenbürtiges personalportfolio (mit 300 leuten) in bezug auf die gebotene fotoqualität. der hammer.

eine internetfirma also, wie sie im buche steht. wer sonst soll eine dergestalt dynamische wortmarke 2.0 schon ausprobieren? für markenartikler wie etwa möbel pfister dürfte sich diese strategie eher weniger eignen. für eine schraubenfabrik – wie namics ebenfalls eine b2b firma – auch nicht. ein solches konzept kommt nur für unternehmen in frage, bei denen der kunde kreative und/oder innovative dienstleistungen erwartet. und: man muss eine gewisse stellung im markt haben, um sowas überhaupt zu wagen.

dass es den namicslern ernst ist mit diesem auftritt zeigt auch der umstand, dass die ausführende agentur heads in diese richtung gebrieft wurde

verstehen die namics kunden diesen radikalen auftritt? sicher nicht alle und sicher nicht von heute auf morgen. beides dürfte aber kaum das ziel sein. im gegenteil, vermute ich mal. das ziel dürfte sein, dass dieser auftritt vorerst und immer wieder zu reden gibt, er soll anlass für einen dialog über diese marke – etwas besseres könnte nicht passieren. wenn es denn passiert. warten wirs ab.

alles in allem finde ich den neuen auftritt von namics sehr gewagt, schon allein dafür gehört er gelobt. gute unternehmenskommunikation kann nur dort entstehen, wo die kunden etwas wagen. an der vielen schlechten werbung überall sind nämlich nicht in erster linie die werber schuld, sondern die kunden, die nichts wagen resp. nicht den aufwand betreiben, etwas eigenständiges zu entwickeln.

dass man mit erst 20% des contents an den start geht, ist mutig (und mir persönlich sympathisch), und eben auch typisch web 2.0.

voll 1.0 ist dagegen das alte leidige thema, für das man webdesigner nach wie vor brunnetrögle sollte, und zwar im winter: DIE SCHRIFT IST ZU KLEIN. AUCH LEUTE IM TYPISCHEN ENTSCHEIDERALTER (wie ich) SOLLTEN EUREN KONTENT LESEN KÖNNEN. es sieht zwar schön aus, aber man kann es nicht lesen = usability am arsch und eine beleidigung an die, die den kontent erstellt und erdacht haben, kontent ist und bleibt king, liebe designers, eure kunsttypo könnt ihr ins museum hängen. noch fragen?

dass die seite am ersten tag dann doch nicht wirklich gelaufen ist (trotz passwortgeschütztem vorabzugang für einige blogger), ist... na ja, übermorgen redet kein mensch mehr davon.

fazit: gut gedacht, gut gemacht, ich bin sehr gespannt, wie namics und die agentur heads diese innovation in der schweizer markenbildung weiterentwickeln. würde mich nicht wundern, wenn das konzept furore machen würde.
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1. Juni 2009

das magazin kippt die kommentare weg

vor fast genau zwei jahren startete das magazin in ein neues webzeitalter: man stellte ALLE artikel online, MIT kommentarfunktion und MIT einem angebot, die leser zu beteiligen und sie selber artikel schreiben zu lassen. diese leserbeteiligung wurde dann schon im februar 2008 klammheimlich von einem tag auf den andern wieder gekippt, was in einigen blogs verwundert zur kenntnis genommen worden war.

nun scheint es, dass das magazin auch die kommentare gekippt hat. anders kann ich es nicht interpretieren, dass die kommentarfunktion in der neuesten ausgabe fehlt und in den alten ausgaben alle kommentare weg sind. ein bug kann das ja nicht sein.

einmal mehr entpuppt sich die redaktion des magazins als extrem unsensibel gegenüber seiner leserschaft. unzählige menschen haben in den letzten zwei jahren z.t. hochstehende kommentare in diese website geschrieben, die jetzt alle weg sind. und wie schon bei der versenkung der leserbeiträge im februar 2008 lässt sich die redaktion auch jetzt nicht dazu herab, auf der website oder im editorial der printausgabe oder sonstwo dazu eine erklärung abzugeben.

ich hatte immer den eindruck, dass die nutzung der kommentarfunktion nie so recht der riesigen auflage von 500'000 ex. mit 640'000 lesern entsprochen hat. das hat sicher mehrere gründe, einer der wichtigsten ist wohl der, dass die redaktion nie mit den lesern resp. den kommentatoren kommuniziert hat. man wird den eindruck nicht los, dass die edelfedern sich erstens partout nicht dazu herablassen möchten, mit dem gemeinen leser in einen online dialog zu treten (ausserdem gibt das zu tun) und zweitens auch noch nicht richtig kapiert haben, wie man das anstellen könnte. der twitter account des magazin chefreaktors ist jedenfalls völlig dilettantisch aufgesetzt (es gibt nicht mal einen link zu seinem eigenen blatt) und liegt da seit wochen unbenutzt herum. für einen chef eines so grossen titels ist mir das doch ein wenig zu wenig internetkompetenz.

wie auch immer – wenn das magazin schon entscheidet, die kommentare abzuschalten, dann wäre es das mindeste, dies der leserschaft in einem angemessenen rahmen mitzuteilen. dass sie darüber hinaus auch noch alle alten kommentare einfach wegmachen, ist eine grobfahrlässige entgleisung. immerhin konnte man da nicht einfach was reinschreiben, sondern man musste einen account erstellen. auch das ist alles weg, no more login button in da house man....

wer so arrogant mit dem content seiner kunden umgeht, wird die kurve ins neue medienzeitalter nicht schaffen. darum gehört finn cannonica als chefredaktor des magazins ersetzt. und ein paar stoisch ausharrende weitere nonliners in dieser redaktion ebenfalls.
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was hooligans tagsüber so machen



gestern abend waren giacobbo/müller aussergewöhnlich gut drauf, fand ich.
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