6. Juni 2009

3vor12 für finn canonica und andere edel-dau's

herr canonica, chefredaktor des tagimagi, über das ich in letzter zeit ein wenig viel schreibe, ich weiss, aber ich lese es nun mal seit meiner jugend und das ist gute 3 jahrzehnte her. aber so schräg drauf waren die dort noch nie, ich sags euch...

henusode. herr canonica also hat ja via persönlich.com verlautbart:

"Wir sollten uns allmählich Gedanken machen, ob es klug ist, qualitativ hochstehende Inhalte kostenlos anzubieten."

hätte er sich in den letzten jahren ernsthaft mit dem netz befasst, wie es als journalist in dieser position seine heilige pflicht gewesen wäre, würde er sich mit dieser frage kaum so hochkant blamieren. er hätte dann nämlich ev. selber herausgefunden, wie das netz tickt und er wäre vielleicht auch über eines der vielen blogpostings gestolpert, die diesen paradigmenwechsel in der medienbranche mit hocharätigen beiträgen begleiten.

alleine heute morgen bin ich über drei erstklassige artikel gestolpert, die die neue netzwelt auch für edel-dau's aus grossen verlagshäusern auf den punkt bringen:

1)
da wäre zuerst der hervorragende blogpost "warum bezahlinhalte nicht funktionieren" bei netzwertig.com. sinnigerweise ist dieser text wie für herrn canonica bestellt gestern erschienen. der autor marcel weiss begründet nachvollziehbar, warum das nachdenken über bezahlinhalte zeitverschwendung ist. chefredaktoren und verleger sollten statt dessen einfach mal das autorenbutton von weiss drücken, er dröselt da die komplexen funktionsweisen des web 2.0 nämlich regelmässig auf.

2)
im artikel von weiss meldet sich die medienjournalistin ulrike langer und verweist auf ihr posting "10 strategien für den journalismus 2.0". zum thema "hyperlokal denken" erzählt sie von einem coolen, gelungenen experiment:

Der Yorker Radiosender WNYC (public radio) rief im Oktober 2007 in einem von mehreren interaktiven ”crowdsourcing experiments” seine Hörer dazu auf, den Preis für eine Tüte Milch, ein Sixpack Bier und einen Salat in ihrem Laden um die Ecke zu ermitteln und kam so innerhalb von 24 Stunden auf 800 Einträge für eine interaktive Preisübersicht als Karte – ein Rechercheaufwand, den die Handvoll Journalisten des Senders niemals hätten leisten können, 800 interessierte Bürger aber ohne weiteres.

angesichts solcher innovationen im medienbusiness finde ich es schon irgendwie schräg, wenn herr canonica zur kürzlichen (stillschweigenden) ausknipsung von 2 jahrgängen an hochstehenden leserkommentaren lapidar meint:

"Kritik und Lob interessieren uns natürlich nach wie vor, jedoch scheint mir der gute alte Leserbrief die beste Form dazu."

für einen chefredaktor der grössten und renommiertesten wochenendbeilage der schweiz ist mir das zu wenig.

3)
das renommierte time magazine titelte gestern mit einem twitter-cover "how twitter is chanching the way we live":



falls das exemplar am kiosk von herrn canonica schon vergriffen ist, könnte er den höchst brisanten text auch online nachlesen. das problem ist nur, er mag das internet nicht.
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6 Kommentare:

  1. Ich sehe zwei Probleme:

    1. So einig sich diese Artikelverfasser darüber sind, dass für den Content nicht bezahlt werden sollte, so einig sind sie sich darüber, dass die Finanzierung von Online-Medien ein Problem ist. Hier warte ich immer noch auf Antworten.

    2. Die wenigsten Medienunternehmer sind sich bewusst, dass eine wirklich gute, interaktive Online-Plattform, die den Namen Web 2.0 verdient, ARBEIT ist, und zwar VIEL Arbeit, nicht zuletzt für die Autoren der Artikel, von denen der mündige Internetuser erwartet, dass sie sich an der Diskussion um ihre Artikel beteiligen. Und wo viel Arbeit ist, muss auch Gehalt bezahlt werden.

    Mein Fazit: Es müssen irgendwie Geldquellen gefunden werden. Wenn nicht in Form von bezahltem Content, dann anderswo (denn wie in einem der verlinkten Beiträge klar wird, reichen Werbeeinamen und Spenden nicht einmal zusammengerechnet aus, um die Kosten zu decken).

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  2. manchmal habe ich fast ein schlechtes Gewissen, dass mir Bloggen einfach nur Spass macht...

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  3. 1.) ist doch ganz einfach. Sowie sich die Werber dann auch mal noch mit Internet befassen und entdecken, dass diejenigen, die sie bewerben sollen, längst ins Internet abgewandert sind, entdecken deren Kunden dann vielleicht auch endlich mal, dass Print Werbung nicht mehr das wirklich Wahre ist und investieren ihre Budgets endlich in gute Blogs, gute Plattformen und gute Online Zeitungen. Dann ist auch endlich mehr Geld da. Aber im Moment erscheint mir, dass die Werber lieber noch nach Schema A, das Budgets in Print Medien investieren, weil sie das mal so gelernt und scheinbar nicht viel dazu gelernt haben. Ein Inserat in einem Prinmedium wie zum Beispiel der Tagi kostet immer noch Unsummen aber kann jemand sagen ob das dann auch jemand angesehen hat? Nada, könnte man im Internet und da gäbs auch noch ein paar andere Vorteile aber naja, dauert wohl noch eine Weile... Leider.

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  4. @cliitierchnübler (knuffeliger Name): Ich blogge auch nur aus purem Spass an der Freude (plus manchmal ein bisschen zuviel missionarischem Eifer), aber ein Medienverlag kann nicht von Luft und Liebe leben. So eine Firma will finanziert sein - nicht zuletzt, damit sie ihre Angestellten (anständig) entlöhnen kann.

    @stadtmensch: Mich hat noch nichts und niemand überzeugt, dass die Werbung für unsere regionale Schule im Internet funktionieren würde (meine Kursteilnehmer geben offen zu, dass sie das Internet nicht die Bohne interessiert) - wir inserieren nach verschiedenen Versuchen in anderen Medien nun wieder (fast) ausschliesslich in den regionalen Tageszeitungen. Vielleicht ist das in der Stadt anders, aber reden Sie mal mit Leuten auf dem Land über ihre Online-(nicht)Gewohnheiten!



    Und darum zurück zu meiner Frage: Wie, wenn nicht durch (teil)bezahlten Content soll zusätzlich zu den Werbegeldern der Stutz in die Bude kommen?

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  5. @knuflichnübli: vergiss das schlechte gewissen, das bringt dich nicht weiter. im übrigen blogge ich auch nur aus spass, na ja, auch aus leidenschaft, und weil man kann, – das alles unter dem slogan, der hier im blog ganz zu unterst steht.

    @zappadong: deine frage sollten die verleger beantworten, sie sollten sich seit jahren damit befassen. tun sie aber nicht und mittlerweile ist ihnen die entwicklung soweit vorausgeeilt, dass es kaum mehr aufholbar erscheint. ein jammer. dabei gibt es auch in der schweiz die ausnahme, die die regel bestätigt:
    http://www.jungfrau-zeitung.ch/verlag/
    pikantes detail: die jungfrauzeitung praktiziert dieses konzept seit 2001. mit erfolg.

    @stadtmensch: nein, so einfach ist es nicht.

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  6. Warum habe ich eigentlich immer noch eine kostenpflichtige Tageszeitung in Papierform abonniert?
    Primär wegen des Lokalteils, aber auch wegen recherchierter Artikel und Kommentare, die über den Fastfood-Gehalt der Gratiszeitungenen hinausgeht.

    Denn alles was über die Agglomeration Bern hinaus geschieht, wird mir aus allen möglichen "kostenlosen" (aber natürlich durch Werbung, ADSL Abo, Billag, usw. finanzierter) Quellen an den Kopf geworfen. Da gilt es halt nur noch die Spreu vom Weizen zu trennen. Und das übernehmen zum Teil engagierte Blogger mit Nachlese Beiträgen und hinterfragenden Diskussionen.

    Aber das Grundproblem bleibt. Wie finanziert man nun auf gute Recherche aufgebauten Journalismus, der in der heutigen Zeit Gefahr läuft auszusterben, da Redaktionen verschlankt werden und vermehrt auf 20min und iPhone Reporter zurückgegriffen wird?

    Also das erwähnte Konzept der Jungfrau Zeitung sieht mir ganz danach aus, dass da ein paar kluge Köpfe die Zeichen der Zeit erkannt und danach gehandelt haben. Wäre meine Zeitung nur auch schon 2001 aufgesprungen, vielleicht wäre die Rettungsaktion, die nun im Tamedia TagiBund Kompromiss endete nicht nötig gewesen ...

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