19. April 2010

das crossmediale schweigen hinter der aschewolke



die aufregung um die flugasche könnte noch etwas länger andauern. und zwar so lange, dass alle anderen probleme entweder plötzlich ganz harmlos aussehen oder definitiv eskalieren. warum sagen die leitmedien dazu nichts?

immerhin lautet der tenor der vulkanologen übereinstimmend, dass es durchaus noch dicker kommen könnte, v.a. dann, wenn der um 20x grössere nachbarvulkan auch noch hochgeht (was er bisher immer getan hat).

was dann?

mit dieser frage hat sich bisher – am vierten tag des groundings – noch quasi kein leitmedium befasst.

alle kanäle sind voll von aktuellen statusmeldungen über sitzengebliebene touristen, die irrfahrt der kanzlerin und andere boulevardeske nichtigkeiten. über die simple vermeldung von verlusten der airlineindustrie kommt man nicht hinaus. kein wort zu den nachgelagerten industrien, kein wort zu den generellen konsequenzen für die wirtschaft, die politik, den warenfluss, die post, den tourismus, den welthandel, das grosse ganze.

das szenario eines auf monate oder jahre gegroundeten europäischen flugnetzes wird auf jeden fall sehr viel hektischer, als eh schon alles ist. vielleicht so hektisch, dass sich die medien, die politiker und die wirtschaftsführer erstmal aus der schockstarre strampeln müssen, bevor sie sich zu solchen aussichten äussern können.

keine ahnung, was dieses seltsame crossmediale ausklammern eines zumindest in reichweite liegenden supergrounding's bedeutet. aber ein paar relevante beiträge über die luxusprobleme von sitzengebliebenen mallorcatouristen hinaus hätte ich jetzt von den leitmedien einfach mal erwartet.

manfred messmer, (der älteste re:publica teilnehmer 2010 ;-) hat z.b. in seinem blog schon mal eine hochinteressante frage gestellt, von der ich in den leitmedien noch kein wort gelesen oder gehört habe:
Hat mal jemand davon gehört, dass auch die Militärjets aschegegroundet in ihren Hangars stehen? Ist es tatsächlich möglich, dass der gesamte nordeuropäische Luftraum seit zwei Tagen ohne Fliegerschutzschild friedlich vor sich hindöst?
ganz spontan kommen mir locker noch ein paar themen in den sinn, mit denen sich z.b. die sonntagspresse von gestern hätte befassen können:

• wie verkraftet das finanziell gebeutelte griechenland eine sommersaison ohne flugverkehr? die gleiche frage dürfte für portugal und spanien relevant sein.
• wie geht das mit der post ohne flugis?
• welche airlines halten ein solches grounding wie lange durch und wie?
• wie gehen politiker ihren regierungsgeschäften nach, wenn sie nicht mehr fliegen können? und wie die wirtschaft?
• wie reagieren die banker, wenn sie nicht nur ein neues superfiasko zu handeln haben, sondern auch keinen frisch eingeflogenen hummer mehr auf dem teller?

weitere fragen, die noch keiner gestellt hat?
.

11 Kommentare:

  1. ja, da wurde noch nicht viel gewagt in der Presse. Wo sonst schnell Schwarzmalerei betrieben wird, ist eher Zurückhaltung zu lesen. Abgesehen vom lahmgelegten Flugverkehr und den längerfristigen Auswirkungen, frage ich mich, wie die Asche dem Boden bekommt, wenn sie mal unten ist. Gibt das nicht ne Übersäuerung? Oder Düngung? Oder ist die Menge zu gering für merkbare Auswirkungen?

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  2. na ja, schwarzmalerei muss es ja nicht sein. einfach nichts dazu schreiben ist vielleicht die grösste schwarzmalerei.

    soweit ich das mitbekommen hab, dürfte ausserhalb islands die niedergehende asche kein problem sein.

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  4. die finnische luftwaffe scheint jedenfalls noch fliegen zu können, wie ich heute morgen gelesen habe.

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  5. Schlagzeile in meiner Regionalzeitung ("Werdenberger und Obertoggenburger", Mantelzeitung Südostschweiz) von heute:
    "Wann bricht Katla, der noch mächtigere Brudervulkan aus?)"

    In einer eingeschobenen Box steht unter dem Titel: Die Katastrophe ist denkbar" Folgendes:

    "Europas Wirtschaft, eben im Begriff, sich von der Finanzkrise zu erholen, wäre mit einer Katastrophe und einer Herausforderung ungeahnter und zerstörerischer Dimensionen konfrontiert."

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  6. @zappadong:
    liegt die zukunft des journalismus also doch im regionalen mit offenem blick fürs grosse ganze??
    @bugsierer:
    aus dem inneren des mediums nur soviel: du liegst nicht falsch...

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  8. @andré: Nun, Herr Zappadong und ich denken darüber nach, alle Zeitungsabos ausser der Lokalzeitung zu kündigen :-)

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  9. @zappadong: hach, auf dem land also doch noch ein satz. ich sags ja schon lang: die provinz, die bringts ;-)

    @andre: merci.

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  10. @bugsierer. deshalb wohne ich ja in Zappadong-Hausen ... und ich gedenke, mich noch tiefer in die Provinz zu verkriechen. In jene Täler, der der Think Tank einst leeren und in die Agglo kippen wollte. Wie der Journalismus dort ist, weiss ich nicht. Sollte ich eine Bleibe finden, werde ich darüber berichten. Auf jeden Fall müsste ich Romantsch lernen. Keine Ahnung, welcher Dialekt, doch das wird bestimmt witzig. Aber ich greife vor. Noch ist das zukünftige Zappadong-Refugium in den sich leerenden Bergtälern nicht gefunden. Leider.

    PS: Vom Verhältnis der Provinzpolitiker zum Internet habe ich heute einen Text in die Bloghütte gesetzt. Ich denke aber, Sie kann nichts mehr erschüttern ... ich empfehle Ihnen die Lektüre also zur Unterhaltung.

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  11. Ein ziemlich asymmetrischer Kampf der «globalen Angstmacherei» gegen die «zivil fliegenden Bürger». Wer ein Kalkül dahinter vermutet, baut eine Verschwörungstheorie, wer die Gleichschaltung der Medien erwähnt, ist noch viel mehr als ein Nazi.

    Als im Oktober 2001 das Grounding der Swissair über die Weltbühne ging, hätte keiner gedacht, dass ca. 8.5 Jahre später in halb Europa solche Events durchgeführt werden. Nur die «Motive» haben sich geändert:
    • 2001 – Mangel an Cash
    • 2010 – Überfluss an Ash

    Wer ein Interesse daran hätte, die europäischen zivilen Luftflotten zu grounden – ich weiss es nicht.

    wie gehen politiker ihren regierungsgeschäften nach, wenn sie nicht mehr fliegen können? und wie die wirtschaft?

    Mit Sicherheit wird ein grösserer Teil der Regierungs- und Finanzgeschäfte über den elektronischen Weg abgewickelt, was die betroffenen Stellen bezüglich Hacking angreifbarer macht.

    Sollte der Gletschervulkan Katla ausbrechen, wird es längerfristig in der Wirtschaft zu grossen Umwälzungen kommen: Fluglinien-Sterben zugunsten der Transportmittel Bahn, Schiff, Auto und - soweit in Europa möglich – Kleinflugzeugen.

    Es wird zu empfindlichen Preisverschiebungen für Frisch-Produkte kommen, für die Lufttransport unerlässlich ist. Als Folge würden mehr regionale Produkte konsumiert, was zur (kleinen?) Ankurbelung der europäischen Wirtschaft führen kann.

    Da nicht alle Langstrecken-Flugreisenden automatisch auf die Bahn umsteigen, werden für die kommende Reisezeit etliche Konsumenten ihr Feriengeld zu Hause bzw. in Europa ausgeben. Die mediterranen Staaten Europas blieben mit der Eisenbahn und Fähren erreichbar. Ihre Exportprodukte müssten auf die Schiene.

    Ob es sich beim Ganzen um eine gesamteuropäische Notfallübung handelt, darf zumindest vermutet werden, insbesondere weil das erste gesamte Flugverbot aufgrund von Simulation erteilt wurde. Denkbar wäre, dass die Bürger mit den nun eingeführten wechselnden Phasen von Flugverbot und –erlaubnis zu möglichst hoher Flexibilität eingeübt werden. Motiviert könnte das Ganze in der Tat durch die Befürchtung von Eruptionen der Vulkane Hekla und Katla sein.

    Ebenfalls denkbar wäre, dass die europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol nebst der engen Kontrolle des Bodens auch den europäischen Luftraum erhöht kontrollieren möchte. Die Zivilluftfahrt bedeutete dabei eine blosse Manipuliermasse. Es gilt zu bedenken, dass nach der US-Atomkonferenz seit auch 17.04.2010 eine in Teheran eröffnet worden ist. Eine solche Blockbildung von Atommächten kann schwerwiegend sein.

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