auch mit einem lädierten kurzzeitgedächtnis erinnern wir uns bestens an eine mega-blog-aktion in england vom 17. oktober dieses jahres. die markige headline lautete:
briten schreiben grösstes weblog der geschichte
heise schrieb dazu:
Hunderttausende Menschen in Großbritannien sind aufgerufen, das größte Blog (Internet-Tagebuch) der Geschichte zu schreiben. Sie sollen in dem Blog den 17. Oktober 2006 dokumentieren. Die persönlichen Protokolle eines ganz gewöhnlichen Tages sollen im Internet verewigt werden, berichtete der Sender BBC am heutigen Dienstag. Das Projekt wurde initiiert von der British Library, der Nationalbibliothek Großbritanniens, und dem National Trust, der britischen Kulturerbe-Stiftung. Die Aktion mit dem Titel "Ein Tag in der Geschichte" soll einen "Schnappschuss des alltäglichen Lebens zu Beginn des 21. Jahrhunderts" liefern, erklärte Fiona Reynolds, Leiterin des National Trust, der BBC. Das Ergebnis solle ein "faszinierendes Archiv der Sozialgeschichte" sein. Der Historiker Dan Snow ist überzeugt: Was die Menschen an einem ganz normalen Tag gemacht haben, werde Geschichtswissenschaftler einmal sehr interessieren. Nicht jetzt, aber "hunderte Jahre in der Zukunft".was in der headline als marktschreierischer big-blog-bang daherkommt, entpuppt sich bei genauerem hinsehen als ein hochseriöses und lustvoll umgesetztes geschichts-projekt, das offensichtlich rundum von profis realisiert wird – vom historiker bis zum mediengestalter alles top personal. die website ist vorbildlich gemacht und spricht eine breite masse an. ein schulbeispiel von zweinulliger medienarbeit. über 17'000 onliners haben bereits mitgemacht.
die 1.0-schurnis von der berner zeitung sind aber offensichtlich bis zu dieser website nicht vorgedrungen. und wenn doch, dann ist es umso schlimmer, dass sie diese aktion derart laienhaft und ohne ein wort zum original einfach mal kopieren. heute gaben sie den startschuss für den stichtag am zweiten november. mit einem pfadimässigen text, der sich wie ein marschbefehl liest. den eigentlichen kern dieser idee, wie er im original in einem historisch-pädagogischen kontext einleuchtend und kompetent formuliert ist, handelt die bz mit einer handvoll anbiedernder langweiligkeiten ab, die vielleicht noch ein grosi oder zwei aus dem sältebach (tiefstes, schönstes emmental) hinter dem ofen hervor locken. aber das gros der bz-leser muss sich da ziemlich verarscht vorkommen.
dreist-dilletantischer ideenklau
was die britische nationalbibliothek und die britische kulturerbe-stiftung zusammen mit dem weltsender bbc mit einer wohl ansehnlichen profi-crew auf die beine stellt, meinen die berner oldschool- zeitungsmacher in einer unverschämten copy-paste-manier kopieren zu können. und zeigen damit, wie hilflos und uninspiriert sie mit den neuen leseranforderungen umgehen, wie dreist sie ideen selbst von hochkarätigen autoren einfach klauen und wie dilletantisch sie diese kopien umsetzen. unglaublich.
da war doch kürzlich dier typ, der sich ein jahr lang (oder waren es mehr?) jeden tag selber fotografiert hat und dann mit diesem material ins netz gegangen ist. er wurde weltweit beachtet. keinem noch so unbedeutenden künstler würde es in den sinn kommen, sowas einfach abzukupfern. oder wenn, dann nur mit einem klaren bezug und einer konzeptionellen referenz an den erfinder. würde die bz im tv-markt einen ähnlichen kontent-klau vom stapel lassen wie jetzt mit diesem "1 day"-projekt, allenfalls gegen einen "erfinder" wie endemol, dann würde die berner juristerei rund um die von-graffenried-kanzleien zünftig feuer unter dem arsch haben. salopp gesagt.
publizistische ratlosigkeit
wenn sich solcherart ideenklau ein unbedarfter, aber profilneurotischer hobby-blogger zu eigen macht, ist das ja noch eines. aber ein medienhaus von der grösse der bz? der viertgrössten zeitung im lande? kaum zwei wochen nach dem original einfach mal eine billigstkopie in den markt werfen? miserabel angeteasert und schluddrig umgesetzt (in der printausgabe erschien zwei mal der gleiche text, peinlich)? und tatsächlich ohne nur ein sterbenswörtchen zum original?
pfusch ist das, selbst beim ideenklau. und ausdruck von grosser publizistischer rat- und ideenlosigkeit. hat hier jemand bz-aktien? sofort verkaufen. ohne limit.
@ daniela: merci für die blumen. – da hier sämtliche chefredaktoren des deutschsprachigen raums mitlesen, würd ich dann gerne 15% provision der beratungsmandate kassieren, die du hier aquirierst. plus eine kiste maienfelder. oder zwei. ;-)
AntwortenLöschenhmpf, und ich schreib mir mühselig ein skript welches bei jedem einloggen am MacBook ein Bild von mir macht und du schreibst irgendjemand hat das schon vor mir gemacht. Was hast du eigentlich gegen mich?
AntwortenLöschenleider leider ist man solch unprofessionelles verhalten von der BZ (und leider immer mehr auch vom BUND) langsam gewohnt.
AntwortenLöschenmit sicherheit eine folge von der einheitspresselandschaft in der hauptstadt.
@ christian: ich hab gar nichts gegen dich, aber vielleicht der, der das schon gemacht hat. es ist ja im leben generell schwierig etwas zu machen, was wirklich noch niemand gemacht hat. da bleibt dann nur noch, einfach sich selber zu sein.
AntwortenLöschen@ chm: yes, der bund zeigt auch schwächen, wobei der noch um welten besser ist als die bz.