14. April 2008

edel-links im long tail

dieses kleine blog hat nach zwei jahren schon einen kleinen long tail: alte posts wurden irgendwann mal verlinkt und seither kommen von diesen blogs regelmässig zugriffe. nicht umwerfend viele, aber qualitativ gute. fast alle zeichnen sich durch eine hohe verweildauer und durch mehrere PI's aus. gefühlt würd ich behaupten, dass der eine oder andere als feed-abonnent hängenbleibt.

spitzenreiter in diesem long tail ist ein link auf einem weblog von zeit.de – damals habe ich mich (noch als anonymer blogger) mit einer hamburger ebusiness-agentur angelegt, die hier spam-kommentar platziert hatte. das daraufhin entstandene gerangel kulminierte in der androhung einer abmahnung, was ich in gewohnt erfrischender weise konterte, mir dann diesen edellink von zeit.de einbrachte und hier noch heute neue leser generiert.

übrigens: mit dem netten tool namens FEEDJIT, das ich seit ein paar tagen rechts in der navigation eingebaut habe, können die leser hier meinen long tail-traffic in echtzeit beobachten. der "live traffic feed" zeigt an, von wo und auf welche posts die klicks kommen und wohin die gäste wieder abschwirren.
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13. April 2008

facts 2.0: gereizte debatte

bugsierer an reichenstein:
du bist ein brillanter denker und ein erfrischender geist im hause tamedia. aber debattentechnisch führst du dich auf wie eine mischung aus wildgewordenem pitbull und beleidigter diva.

reichenstein an bugsierer
Sorry, fuer mich bist Du einfach ein Troll. Vielleicht ist Dir das nicht bewusst, aber hier ist Durch Dein penetrantes FACTS-Macher-Bashing wieder ein riesen geiler Zeppelin hochgestiegen, der in keinem Verhaeltnis zur Sachlage steht und so gut wie nichts mit dem Artikel zu tun hat.

> facts 2.0

+ + +

update 14.4.08 netterweise trifft hier kistenweise fanpost ein – vielen dank allerseits. das thema wurde auch von drei prominenten schweizer bloggerkollegen aufgenommen:
> journalistenschredder
> leumund
> boggingtom
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11. April 2008

chinesische militär-mönche: richtig oder falsch?

etliche renommierte medien haben falsche bilder publiziert: nepalesische soldaten, die auf tibeter einschlugen, wurden als chinesen "verkauft". so kann man natürlich den chinesen schlecht vorpredigen, wie freie medien funktionieren.

aber zugegeben, mit den bildern ist es heute schwierig geworden. nicht nur für gestandene bildredakteure von top medien, auch für blogger in kleinstbloghütten wie dieser. dieser tage erreichte mich dieses bild per email:



wir sehen: es werden dunkelrote mönchskutten an soldaten ausgegeben. da denkt man hierzulande natürlich sofort: aha, die chinesen setzen als mönche verkleidete militärs ein und lassen sie rumprügeln, damit man nachher einen grund hat, die lautesten protestierer bis nach der olympiade wegzuschliessen. solche agents provocateurs kennt man doch, die sind ein alter propagandatrick in diktaturen.

kaum jemand kommt in diesen tagen auf die idee, dass es sich vielleicht doch nur um eine übung handelt, an der zwecks möglichst realistischer darstellung einer aufzulösenden mönchsdemo die entsprechenden kostüme ausgegeben werden. sowas soll ja dem hören sagen nach auch in der schweizer armee und allen anderen armeen gemacht werden.

das bild ist hier per email über unzählige forwardings angekommen. mit diesem holprigen kommentar:
Hier also die Mönche, welche die Gewalt in Lhasa verursachten…
Foto via Satellit, von der Britischen GCHQ, der behördliche Kommunikations-Agentur,
aufgenommen vor der Aufruhr in Lhasa.
foto via satellit? also von einem satelliten aus geschossen? hm... ich bin ja nicht der spezi, aber dafür dünkt es mich etwas gar scharf. und aus diesem winkel...? also ich weiss nicht. und dann diese behördliche britische kommunikations-agentur. die gibt es zwar tatsächlich (hier), aber der letzte pieps aus dem hiesigen online press office verlautete im oktober 2006. es handelt sich eher um einen vorposten des britischen geheimdienstes MI5 als um irgendwas mit kommunikation.

das bild scheint auch aus anderen gründen ein fake. eine chinesische kohorte würde niemals so undiszipliniert in der gegend rumstehen. die zivilisten im hintergrund schauen alle in eine andere richtung als die soldaten. meine these: wir sind hier in einem filmstudio in bollywood, die zivilisten hinten hören einem anderen regieassistenten zu als die soldaten im vordergrund.

oder?
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6. April 2008

neue worte – part1: die polemische liste


die flut von neuen worten ist gigantisch. bei vielen fragt man sich, was eigentlich gemeint ist. andere entlarven den untergeschobenen kontent als leeres geschwurbel. eine aktuelle auswahl der letzte fünf tage.

identitätsmanagement

alles wird gemanagt heute. sogar das ich. ob das geht? keine ahnung. das trendbüro hamburg meint ja. und präsentiert seine website seit neuestem als blog. interessant, eine völlig neue online-identität für das renommierte haus. peter turi sagte mal irgendwo: die website der zukunft wird ein blog sein.

datendrosselung

der digitale speed nimmt laufend zu. in wenigen jahren wird die schweiz verglaskabelt sein. dagegen ist highspeed von heute ein limitierter kindergarden. in dem offenbar gewisse datendurchsätze gedrosselt werden. der standard im web lautete bisher: gleiches tempo für alle.
darum ist die datendrosselung ein schreckliches szenario: wer mehr zahlt, kriegt die schnellere leitung. soll heute schon praktiziert werden, sagen die einen. die anderen sagen: stimmt nicht, die kapazitäten werden laufend erhöht, das angebot ist grösser als die nachfrage, die preise für bandbreiten fallen. an der verkabelung des weltweiten netzes sind so viele player beteiligt, dass eine flächendeckende datendrosselung nicht durchsetzbar ist. hoffen wir das beste.

fahrpreishinterziehung
bei diesem wort hat man den eindruck, es sei von einem pr-büro erfunden worden. ob das wort den tatbestand vom schwarzfahren eher beschönigen oder eher kriminalisieren will, ist allerdings – wenn es für sich allein dasteht – schwer zu erkennen. wobei: solche semantischen haarspaltereien sind ja gerade ein heisses thema, sie wissen schon, steuerhinterziehung ist nicht so schlimm wie steuerbetrug. vermutlich ist dann nur langjährig notorisches schwarzfahren auch wirklich fahrpreisbetrug. als variante wäre auch das wort "mobilitätserschleichung" denkbar. der vcs könnte damit z.b. das schwarzfahren schönreden.


artikelruinen

ein wunderbares neues wort, denn von denen gibts ja wirklich viele. und jetzt wissen wir endlich, wie sie heissen. ein gutes feeling.


interaktionsleiterin

das pendant im realen leben ist der bandleader oder sonstwie der scheff. der kapitän eines schiffs oder einer fussballmannschaft. der regisseur oder der abteilungsleiter. – jetzt also die fokussierung auf das eine, auf die interaktion. was für ein irrtum. die interaktionsfähigkeiten von z.b. miles davis waren legendär. seine bandproben bestanden aus tagelangen ess- und trinkgelagen, auf der bühne oder im studio wurde dann improvisiert resp. eben interagiert. aber ohne sein musikalisches genie wäre seine qualität als interaktionsleiter schlicht nicht vorhanden gewesen. insofern möchte man bezweifeln, dass der beruf der interaktionsleiterin wirklich sinnvoll ist.


diskursfeld

vermutlich ist hier ein feld voller worte gemeint. irgendwas symbolisches halt. gefunden im titel eines blogposts von einem sehr theoretisch orientierten blogger, abteilung fachhochschule. klar, man kann neue worte erfinden oder situativ auch den semantischen freejazz anwerfen. aber dieses wort ist nicht erlaubt, irgendwie. diskursfeld. und auch noch im titel. ich finde, blogger sollten sich viel mehr mühe geben mit den titeln, vorerst. schon ein kurzer blick in die entsprechende wikipedia seite zeigt: diese neuschöpfung geht nicht. ausser vielleicht in einem satirischen kontext, der aber hier nicht in aussicht stand, im gegenteil, es war ihm ernst. und nicht nur ihm.


gouvernementalitäts-diskurs

schon wieder der diskurs. aber jetzt mal der reihe nach: diskurs über die gouvernementalität. gouvernementalität? aha ja, regierungskunst. ein gespräch über regierungskunst also. tja, wenn das so ist, dann merken wir ja sofort, dass das ein hochbrisantes thema ist. ob tibet oder toni brunner – alle werkeln sie auf ihre art an der regierungskunst herum. die ausbürgerung – auch so ein wort – von frau widmer-schlumpf aus der svp ist also eine art gouvernemantalitäts-diskurs. henusode.

episkopallektüre

ein hammerwort. echt. der reiz solcher wörter besteht vor allem darin, dass man die eine hälfte versteht und die andere nicht. der reflex, den solche wörter dann auslösen, heisst wikipedia. hier wird es aber noch nicht geführt resp. erklärt. die sehr praktische suchfunktion bei google "define: episkopal" bingt dann die antwort: governed by bishops. episkopale systeme sind das gegenteil von synodalen sysemen (einer art kirchenparlament). episkopallektüre ist also eine art businessplan der bischöfe? oder eher der geschäftsbericht? nun ja, hauptsache dass. oder?

nachhaltigkeits-charta

das muss ein reizwort sein für konservativlinge. die erste hälfte hat ja zwar hochkonjunktur wie kaum ein zweites wort. nachhaltigkeit ist mittlerweile von ganz links bis ganz rechts voll und unwidersprochen angekommen, ja sogar unverzichtbarer bestandteil von jedwelcher aussage. was nicht im weitesten sinn als nachhaltig bezeichnet werden kann, hat im öffentlichen diskurs nichts verloren. rauchen z.b. ist überhaupt nicht nachhaltig und wird deshalb grossflächig verboten. was ich bizarr finde, nebenbei.
nachhaltigkeit ist das allerhöchste, aber wer es noch höher möchte, pappt einfach noch eine charta dazu. die wird von teuren textern formuliert, von teuren gremien durchgewinkt, von teuren copy-paste-journis verbreitet und von teuren archivaren im keller versenkt. nur: der begriff der nachhaltigkeit ist schon für sich alleine eine art charta. erfunden wurde er nämlich in der forstwirtschaft und meinte nichts weiter als wir schlagen nicht mehr bäume aus dem wald als nachwachsen kann.
könnte man, ehrlich gesagt, alles auch irgendwie opensourcemässig hinkriegen, aber das haben sie noch nicht gemerkt und schliesslich hat ja so die ganze medienbranche gut zu tun, man muss das auch so sehen, das ist auch nachhaltig, erst recht mitten in der laufenden medienkrise.

verospeln
nicht mehr so neu, dieses wort, aber sicher die hoffnungsvollste neuschöpfung der saison. in diesen volatilen tagen jedenfalls dürften mehr oder weniger alle schweizer wissen, was das ist, wenn man sich verospelt.
ob das wort sich langfristig im mainstream durchsetzen kann, bleibt offen.
für unsere deutschen und österreichischen leserinnen die geschichte dahinter: herr marcel ospel war der clevere architekt und big boss der weltberühmten ubs, der schweizer bank mit den weltweit höchsten abschreibern auf subprime wetten. da sich herr ospel auf diesen papieren wie kaum ein zweiter verspekuliert hat, reden wir hier bei ähnlichen ereignisen von "sich verospeln" oder gar "es ist verospelt" im sinne von "niemand hat den durchblick".
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